Karikatur des Bundesadlers in "Focus" keine Urheberrechtsverletzung
Bei der Verwendung eines urheberrechtlich geschützten Werkes für Zwecke der Berichterstattung muss bei der Abgrenzung von freier Benutzung und unfreier Bearbeitung auch die Pressefreiheit berücksichtigt werden. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlruhe am 21.3.2003 (Az. I ZR 117/00). Im Fall hatte das Nachrichtenmagazin "Focus" im Jahr 1999 unter der Überschrift "Der unseriöse Staat" über einen angeblichen Missbrauch des Steuerrechts durch den Gesetzgeber berichtet. Das Steuerrecht werde immer häufiger dazu benutzt, "hastig Steuerlöcher zu stopfen". Vorangestellt war dem Artikel die Darstellung eines Bundesadlers, der mit böse-gierigem Blick ein Bündel Geldscheine in einer Kralle hielt. Als Vorlage für die Darstellung hatte erkennbar der von dem Künstler Ludwig Gies im Jahr 1953 geschaffene Bundesadler gedient, der jahrzehntelang im Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn aufgehängt war und im Volksmund als "fette Henne" bekannt worden ist. Der "Focus" war nach Veröffentlichung der Abbildung von den Erben Gies verklagt worden. Sie warfen dem Nachrichtenmagazin eine Urheberrechtsverletzung vor, weil die Darstellung fast alle Merkmale der Vorlage übernommen habe.
Das Landgericht Köln (LG) hatten eine Urheberrechtsverletzung bejaht und der Klage statt gegeben. Bei der Darstellung habe es sich um eine unfreie Bearbeitung gehandelt, die nur mit Zustimmung der Rechteinhaber zulässig gewesen sei. Das Vorliegen einer unfreien Bearbeitung bejahte anschließend auch das Oberlandesgericht Köln (OLG). Die Zulässigkeit ergebe sich auch nicht aus urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen, insbesondere nicht aus dem Zitatrecht. Trotzdem wies das OLG die Klage ab. Die Richter meinten, im Fall müsse die Pressefreiheit im Rahmen einer Interessen- und Güterabwägung stärker ins Gewicht fallen als der Urheberrechtsschutz. Der BGH schloss sich diesen Überlegungen nun im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung an. Das Urheberrecht stelle zwar grundsätzlich eine abschließende Abwägung des Schutzinteresses des Urhebers und des Nutzungsinteresses der Allgemeinheit dar. Bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Urheberrechts müsse aber auch die Pressefreiheit berücksichtigt werden. Das gelte beispielsweise für die Abgrenzung von zulässiger freier Benutzung und unzulässiger unfreier Bearbeitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes.
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