Bundesländer gegen Ausweitung der Internetangebote von ARD und ZDF
Die Bundesländer haben sich offenbar darauf verständigt, ARD und ZDF keine Ausweitung ihrer Internetangebote zu ermöglichen. Wie der Evangelische Pressedienst (epd) am 26.5.2003 meldet, haben sich Vertreter der Staats- und Senatskanzleien auf einer Sitzung am 21. und 22.5.2003 in Berlin auf eine entsprechende Änderung des Rundfunkstaatsvertrags (RfStV) geeinigt. Statt "vorwiegend programmbegleitender" Internetangebote sollen nach dem Bericht in Zukunft nur noch "programmbegleitende" Internetangebote zulässig sein. Eine Einigung erzielt haben die Bundesländer nach der Meldung auch über die zukünftige Bedeutung von Unterhaltungssendungen im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags. Entgegen Forderungen vor allem von Baden-Württemberg soll die Unterhaltung neben Information und Kultur auch in Zukunft gleichrangiger Bestandteil der Programme von ARD und ZDF bleiben. Fortschritte gibt es offenbar auch bei dem bisher ungelösten Streit über eine Reform der Rundfunkgebührenpflicht. Wie der epd unter Berufung auf die rheinland-pfälzische Staatskanzlei schreibt, sollen zukünftig auch auf PCs in Privathaushalten Rundfunkgebühren erhoben werden können, wenn diese "rundfunkempfangstauglich seien und an die Stelle eines Fernsehers träten". In Betrieben sollen Rundfunkgebühren auf rundfunkempfangstaugliche PCs allerdings nur einmal "pro Grundstück" fällig werden. Beraten werden sollen die Änderungen auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 26.6.2003. Falls die Ministerpräsidenten dort die Vorschläge billigen und auch die Länderparlamente zustimmen, soll der neue RfStV am 1.4.2004 in Kraft treten.
Die Aktivitäten von ARD und ZDF im Onlinebereich sind politisch umstritten. Der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) hatte erst Anfang Mai 2003 gefordert, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollten in Zukunft nur noch "ausschließlich programmbezogene" Internetangebote betreiben dürfen. Teufels Staatssekretär Christoph Palmer (CDU) hatte schon im Februar 2002 erklärt, eine uferlose Ausweitung des Onlinebereichs von ARD und ZDF sei den Gebührenzahlern nicht länger zuzumuten. Falls die Sender ihre Angebote nicht von sich aus einschränkten, müssten erforderlichenfalls die gesetzlichen Vorgaben geändert werden. Vor Palmer hatte bereits im Januar 2002 auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF) gefordert, die ARD müssten Kriterien für die Begrenzung ihrer Onlineaktivitäten entwickeln. Die Kommission warnte, schon aus den Möglichkeiten des Internets ergebe sich "eine Tendenz zur unbegrenzten Ausweitung der Onlineangebote". Dem müsse mit Blick auf die Rundfunkgebühr entgegengewirkt werden. Die Forderungen der KEF decken sich mit denen der Europäischen Kommission (Kommission). Die Brüsseler Behörde hatte schon im Herbst 2001 klargestellt, die EU-Mitgliedsstaaten müssten den Auftrag ihres öffentlich-rechtlichen Rundfunks klar regeln. Nach Auffassung der deutschen Zeitungsverleger sind bereits die bestehenden Internetangebote von ARD und ZDF rechtswidrig. Die Unternehmen berufen sich auf ein entsprechendes Gutachten des Leipziger Medienrechtlers Christoph Degenhart vom März 2001. Nach dessen Auffassung sind die Onlineaktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unvereinbar mit dem Grundgesetz (GG) und dem Recht der Europäischen Union (EU).
Die ARD hat sich bereits im November 2002 in einer "medienpolitischen Standortbestimmung" dazu bekannt, die Möglichkeiten zur Wahrnehmung ihres Programmauftrags im Internet "systematisch ausschöpfen" zu wollen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei verpflichtet, dem Wandel des Informations- und Kommunikationsverhaltens der Gesellschaft bei der Wahrnehmung seines Auftrags zu folgen. Wenn ganze Altersgruppen bereits mit dem Massenmedium Internet aufwüchsen, seien Hörfunk und Fernsehen gefordert, darauf "medienadäquat" zu reagieren. In dem Papier heißt es weiter, der Medienverbund Hörfunk, Fernsehen, Internet sei möglicherweise der einzige Weg, mit einem öffentlich-rechtlichen Programmangebot vor allem die jüngeren, mit dem Internet und anderen schnellen Informations- und Kommunikationsmedien aufwachsenden Generationen zu erreichen. Angesichts der Inhaltevielfalt müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch im Netz Orientierung bieten, schreiben die ARD-Anstalten in ihrer "Online-Strategie". Daher sei es erforderlich, im Internet die Bereiche Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung und damit die ganze Bandbreite des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags widerzuspiegeln, und zwar in derselben Qualität, wie sie für das Hörfunk- und Fernsehprogramm gelte.
Das Strategiepapier der ARD lässt an einigen Stellen aber auch erkennen, dass die Rundfunkanstalten der Kritik an den Internetaktivitäten der Rundfunkanstalten Rechnung tragen. So bekennt es sich ausdrücklich dazu, dass die Onlineangebote "vorwiegend programmbezogen" sein müssten. Hingewiesen wird auch darauf, dass die Internetauftritte der ARD "frei von Werbung und Sponsoring" seien. Im elektronischen Handel wollen sich ARD und Landesrundfunkanstalten überhaupt nicht betätigen. Onlineaktivitäten dürften "nicht über das hinaus gehen, was als Merchandising im klassischen Rundfunk erlaubt" sei, heißt es in dem Papier. Auch letzteres dürfe nicht mit "zielgerichteten Gewinnerwartungen" betrieben werden, sondern lediglich zur Publikumsbindung. Auch zu den ebenfalls umstrittenen Hinweisen in öffentlich-rechtlichen Internetangeboten auf die Seiten kommerzieller Anbieter nimmt die ARD in ihrer Online-Strategie Stellung. In manchen Bereichen, so im Zusammenhang mit Ratgeber-, Service-, Wirtschafts-, Reise- und Koch-Sendungen sei es schwierig, eine scharfe Grenzlinie zu ziehen, weil das Publikum verbraucherorientierte Informationen erwarte. Verknüpfungen seien "Standard" im Netz und erzeugten gerade den Mehrwert von programmbezogenen Mediendiensten. Trotzdem müsse die Abgrenzung zum kommerziellen Bereich "im Bereich des technisch Machbaren" gewährleistet werden.
Dokumente:
- Rede von Ministerpräsident Erwin Teufel v. 9.5.2003
- "Medienpolitische Standortbestimmung" der ARD v. 27.11.2002
- Pressemitteilung von Staatsminister Christoph Palmer v. 9.2.2002
- 13. Bericht der KEF vom Januar 2002
- Gutachten von Prof. Degenhart vom Februar 2001
- Rundfunkstaatsvertrag (RfStV) v. 31.5.1991 i. d. F. d. 5. RfÄndStV v. 6.6.2000
Institutionen:
Permanenter Link zu dieser News Nr. 1298:
https://www.urheberrecht.org/news/1298/
Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.
Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.
Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!
Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.