Bundesregierung will Urheber gegenüber Verwertungswirtschaft stärken
Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Absicht, die Stellung der Urheber gegenüber der Verwertungswirtschaft zu stärken. Das ergibt sich aus dem Regierungsentwurf für ein neues Urhebervertragsrecht, den Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) am 30.5.2001 in Berlin nach einer Sitzung des Bundeskabinetts vorstellte. Wichtigster Bestandteil des Gesetzentwurfs, der als Referentenentwurf in wesentlichen Teilen bereits am 21.5.2000 bekannt geworden war, ist die Einführung umfangreicher gesetzlicher Vergütungs- und Auskunftsansprüche zu Gunsten der Urheber. Während Gewerkschaften und Journalistenverbände die geplanten Neuregelungen begrüßten, wurden sie von Verlegern und privaten Rundfunkveranstaltern heftig kritisiert. Der Gesetzentwurf soll schon zum 1.6.2001 ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden und könnte noch im Lauf des Jahres im Bundestag verabschiedet werden.
Auch Kreativität müsse sich lohnen, betonte Däubler-Gmelin bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs. Ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung sei an sich eine Selbstverständlichkeit und auch für viele Berufsgruppen bereits gesetzlich geregelt. Nur bei Autoren, Journalisten, Übersetzern, Fotografen und anderen Kreativen habe das wirtschaftliche Übergewicht der Verwerter angemessene Vergütungsregelungen bisher verhindert. Die Bundesjustizministerin wies darauf hin, auch die Gerichte hätten deshalb in der Vergangenheit wiederholt gesetzliche Regelungen angemahnt. Das neue Urhebervertragsrecht stärke die Rechte der Kreativen und stelle sicher, dass das Übergewicht der Verwerterseite nicht einseitig zu ihren Lasten gehe. Für Verlage, Filmproduzenten und Fernsehsender, die heute schon angemessene Vergütungen zahlten, würde sich durch das neue Urhebervertragsrecht nichts ändern, meinte die SPD-Politikerin. Den Besonderheiten verschiedener Bereiche und Unternehmensgrößen der Verwertungswirtschaft trage der Gesetzesentwurf Rechnung.
Der 61-seitige Gesetzesvorschlag folgt im wesentlichen einem Entwurf, den eine Gruppe von Professoren im Auftrag der Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr vorgelegt hatte. Nach dem Entwurf können Urheber von jedem, der berechtigterweise ihre Werke nutzt, eine nach Art und Umfang der Werknutzung "angemessene Vergütung" und die zu ihrer Geltendmachung erforderlichen Auskünfte verlangen. Die Höhe der Vergütung regelt der Gesetzentwurf nicht. Die Angemessenheit eines Nutzungsentgelts soll nach dem Entwurf aber vermutet werden, wenn das Entgelt in einem Tarifvertrag oder in "gemeinsamen Vergütungsregeln" festgelegt ist. Aufgestellt werden sollen diese gemeinsamen Vergütungsregeln von Urheber- und Werknutzervereinigungen, die "repräsentativ, unabhängig und zur Aufstellung ermächtigt" sein sollen. Im Streitfall soll über die Regeln ein Schiedsgericht entscheiden, gegen dessen Beschluss den Beteiligten die Klage zu den ordentliche Gerichten offenstehen soll. Verjähren sollen die gesetzlichen Vergütungsansprüche drei Jahre nach Kenntnis des Urhebers von ihrem Entstehen, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren nach diesem Zeitpunkt.
Ein Vergleich des am 30.5.2001 vorgelegten Regierungsentwurfs mit dem bereits am 21.5.2001 bekannt gewordenen Referentenentwurf zeigt, dass am nun vorgestellten Gesetzestext in den letzten Tagen noch einige Änderungen vorgenommen wurden. So sah der Referentenwurf eine klarstellende Neufassung des § 31 Abs. 4 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) vor, der die Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten regelt. Nach dem Referentenentwurf sollte eine Nutzungsart in Zukunft als bekannt gelten, wenn sie nicht nur technisch realisierbar ist, sondern sich auch aus der Sicht beider Vertragspartner als wirtschaftlich bedeutsam darstellt. Die Neuregelung sollte vom Bundesgerichtshof neuerdings zugelassene Risikogeschäfte ausschliessen. Im nun vorgelegten Regierungsentwurf ist die neue Vorschrift ersatzlos entfallen. Noch einmal Gedanken gemacht zu haben scheint man sich im Bundesjustizministerium auch über die Frage, was für Kosten der Gesetzentwurf für Wirtschaft und öffentliche Haushalts verursachen wird. Im Referentenentwurf hieß es dazu noch, nennenswerte Auswirkungen des Gesetzes auf das allgemeine Preisniveau seien "nicht zu erwarten", Belastungen der öffentlichen Haushalte schieden aus. In dem am 30.5.2001 vorgestellten Papier heißt es nun, Auswirkungen auf die Einzelpreise und das gesamtwirtschaftliche Preisniveau seien zu erwarten, wenn auch nur "in geringem Umfang". Auch mit einer geringfügigen Belastung der öffentlichen Haushalte müsse gerechnet werden.
Dokumente:
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern (Regierungsentwurf zum Urhebervertragsrecht) v. 30.5.2001
- Referententwurf zur Urhebervertragsrechtsreform vom 17.5.2001
- Professorenentwurf zur Urhebervertragsrechtsreform vom 22.5.2000 i. d. F. v. 17.8.2000
- Professorenentwurf zur Urhebervertragsrechtsreform vom 22.5.2000
- Urheberrechtsgesetz (UrhG) v. 9.9.1965 i. d. F. v. 1.9.2000
Institutionen:
Permanenter Link zu dieser News Nr. 223:
https://www.urheberrecht.org/news/223/
Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.
Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.
Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!
Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.