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31.05.2001; 21:51 Uhr
Tritt Gnutella doch noch Nachfolge von Napster an?
Netzwerk durch neue Zugangsprogramme erheblich leistungsfähiger

Das Gnutella-Netzwerk könnte möglicherweise doch noch die Nachfolge der angeschlagenen Internet-Musiktauschbörse Napster antreten. Durch neue Zugangsprogramme ist die Leistungsfähigkeit des Gnutella-Netzwerks in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Größere Teilnehmerzahlen und gesunkene Übertragungszeiten könnten Gnutella wieder mehr Zulauf bringen, unter anderem von Napster-Nutzern, die sich nach dem erfolgreichen Vorgehen der Musikindustrie gegen die bekannte Musiktauschbörse nach neuen Quellen für illegal kopierten Musikdateien umsehen. Anders als bei Napster wäre ein Vorgehen der Rechteinhaber gegen das Gnutella-Netzwerk wegen des Fehlens zentraler Rechner ausgesprochen schwierig.

Gnutella wurde im vergangenen Jahr von einem AOL-Mitarbeiter entwickelt und kostenlos im Internet angeboten. Im Gnutella-Netzwerk sind alle beteiligten Rechner über das Internet direkt miteinander verbunden und können von Nutzern gezielt nach bestimmten Dateien durchsucht werden. Anders als Napster ist Gnutella ein sogenanntes "peer-to-peer"-Netzwerk, kommt also ohne einen zentralen Rechner zur Abstimmung des Datenaustauschs aus. Schwachpunkt des Gnutella-Netzwerks waren bisher die nicht besonders ausgereiften Zugangsprogramme und die vergleichweise langen Übertragungszeiten. Letztere wurden dadurch verursacht, dass auch Nutzer mit langsamen Internet-Anbindungen gleichberechtigt in das Netzwerk eingebunden waren und so "Flaschenhälse" bildeten, die die Geschwindigkeit des gesamten Rechnerverbunds bremsten.

Neue Zugangsprogramme, zum Beispiel BearShare oder LimeWire, lösen dieses Problem dadurch, dass die Rechner im Gnutella-Netzwerk nach Übertragungsgeschwindigkeiten gruppiert werden. Offensichtlich mit Erfolg: Nach Angaben von clip2.com, einem Beratungsunternehmen aus dem kalifornischen Palo Alto, sind inzwischen ständig mehrere Zehntausend Rechner an das Gnutella-Netzwerk angeschlossen, deutlich mehr als noch vor wenigen Monaten. An jedem beliebigen Tag werden nach Angaben von clip2.com von Gnutella-Nutzern etwa zwei Millionen Dateien mit Musik, Filmen und anderem Material angeboten. Das Gnutella-Netzwerk hat damit wieder bessere Aussicht darauf, sich als Übertragungsweg im Internet zu etablieren.

Das sprunghafte Wachstum von Gnutella wird vor allem der US-amerikanischen Musikindustrie einiges Kopfzerberechen bereiten. Bisher war die Branche nicht gegen das Gnutella-Netzwerk vorgegangen, weil man gehofft hatte, das System würde sich wegen technischer Probleme nicht durchsetzen. Noch im März 2001 hatte die Recording Industry Association of America (RIAA) erklärt, sie betrachte Gnutella nicht als Bedrohung. Falls sich die Rechteinhaber nun für ein konsequenteres gerichtliches Vorgehen entschliessen sollten, sähen sie sich allerdings einigen Problemen gegenüber. Wegen der dezentralen Struktur des Gnutella-Netzwerks müsste jeder Gnutella-Nutzer einzeln wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt werden - die im Einzelfall zu beweisen wären. Ansonsten bliebe der Industrie nur die Möglichkeit, die Zugangs-Anbieter dazu zu bewegen, ihre Rechner für eine Übertragung von Gnutella-Daten zu sperren. Entsprechende Bemühungen hat im April 2001 bereits die Motion Picture Association of America (MPAA) unternommen, bisher aber ohne größeren Erfolg.

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[IUM/jz]

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