Strafanzeige gegen Provider wegen Weiterleitung zu rechtsradikalen Seiten
Die deutschen Strafverfolgungsbehörden müssen erstmals klären, ob die Weiterleitung von Seitenanfragen zu rechtsradikalen Internet-Angeboten, das sogenannte "redirecting", strafbar ist. Eine Schweizer Bürgerrechtsgruppe, die Aktion Kinder des Holocausts (AKDH), stellte Ende Juli bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart Strafanzeige gegen das Stuttgarter Unternehmen de|nic|vu, das kostenlose Weiterleitungen zu beliebigen Internet-Seiten anbietet. Die Schweizer werfen dem Unternehmen vor, Weiterleitungen zu Angeboten mit strafbaren Angeboten nur zögerlich oder gar nicht zu sperren.
Weiterleitungen sind im Internet sehr beliebt. Sie ermöglichen es kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt, mit einer kurzen, leicht zu merkenden Anschrift auf ein Angebot zu verweisen, dass sonst nur durch umständliche Eingabe einer sehr viel längeren Adresse erreichbar wäre. Die Anbieter können auf diesem Weg kostenlosen Speicherplatz im Netz für ihre Seiten nutzen und trotzdem den Eindruck eines "professionellen" Internet-Angebots erzielen. Außerdem ermöglichen es Weiterleitungen, die eigentliche Adresse eines Internet-Angebotes zu verschleiern und so Dritten und den Strafverfolgungsbehörden ein Vorgehen gegen beleidigende oder sonst strafbare Inhalte zu erschweren ("URL-Cloaking").
Die AKDH wirft de|nic|vu vor, dessen Weiterleitungs-Dienst sei auffällig häufig von rechtsradikalen Gruppen genutzt worden. Über Adressen, die das Unternehmen vergeben habe, seien eine Vielzahl von rechtsextremen Angeboten erreichbar. Nach AKDH-Sprecher Samuel Althof finden sich auf den Seiten, zu denen weitergeleitet werde, verbotene Bands, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Propagandamittel und volksverhetzende Äußerungen. Auf entsprechende Hinweise hätten die Stuttgarter nicht oder nur zurückhaltend reagiert, kritisiert die AKDH. Als ein Verantwortlicher gesagt hätte, er finde die angegriffenen Inhalte sogar gut, habe man sich zu einer Strafanzeige entschlossen.
Die AKDH ist ein internationaler Zusammenschluss von Nachkommen Überlebender der nationalsozialistischen Judenverfolgung und des antifaschistischen Widerstands sowie deren Angehörige und Freunde. Die Gruppe bekämpft schon seit einiger Zeit erfolgreich rassistische und faschistische Äußerungen im Internet. Als besonders effektiv hat sich dabei das Vorgehen gegen die Provider erwiesen, auf deren Rechnern Rechtsradikale ihre Seiten anbieten. Die AKDH schreckte dabei schon in der Vergangenheit nicht davor zurück, einzelne Unternehmen öffentlich an den Pranger zu stellen.
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