Schleichwerbung ja oder nein: Redaktioneller Gestaltungsspielraum muss berücksichtigt werden
Bei der Würdigung der für und gegen eine Werbeabsicht sprechenden Indizien im Rahmen der Entscheidung über einen Fall der Schleichwerbung im Fernsehen ist entscheidendes Kriterium, ob das gewählte redaktionelle Konzept die Darstellung rechtfertigen kann. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OGV Berlin-Brandenburg) durch Beschluss am 6.6.2007 (Az. OVG 11 N 2.07 - Veröffentlichung in der ZUM folgt).
Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg hatte einen Beitrag über Heimwerker in einer von einem privaten Rundfunkveranstalter gesendeten Reportage wegen unzulässiger Schleichwerbung beanstandet, da trotz einer vielfältigen Baumarktlandschaft fast ausschließlich ein Baumarkt als verlässlicher Partner in Fragen des Heimwerkens präsentiert und dessen Firmenlogo in weit über dem Üblichen liegenden Maße in den Mittelpunkt gerückt worden waren. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung des von dem klagenden Fernsehunternehmen zunächst angestrebten Verfahrens hob das erstinstanzliche Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten auf mit der Begründung, dass es sich nicht um Schleichwerbung gehandelt habe, weil insbesondere die Werbeabsicht der Klägerin nicht festzustellen gewesen sei. Hiergegen richtete sich nun das Begehren der Beklagten, die Berufung zuzulassen, was aber ohne Erfolg blieb.
So habe nach Ansicht des OVG Berlin-Brandenburg das Verwaltungsgericht nicht einen zu engen Maßstab an das Vorliegen von Schleichwerbung i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 6 RStV angelegt, wenn es fordere, dass sich »zwingend« anhand der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Indizien auf eine Werbeabsicht rückschließen lassen müsse. Diese Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Werbeabsicht positiv im Einzelfall zur Überzeugung des Gerichts festzustehen habe. Bei der Gewichtung der im streitigen Fall festgestellten Indizien sei jedoch einzelfallbezogen zu entscheiden, ob das Darstellen von Dienstleistungen oder deren Anbietern aus überwiegend programmlich-dramaturgischen Gründen sowie zur Wahrnehmung von Informationspflichten erfolgt sei. Dabei müsse aber die verfassungsrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit beachtet und dürfe der redaktionelle Gestaltungsspielraum nicht unzulässig eingeengt werden. Daher sei entscheidend zu fragen, ob das gewählte redaktionelle Konzept die Darstellung rechtfertige, nicht, ob ein die beanstandete Darstellung vermeidendes alternatives redaktionelles Konzept denkbar gewesen sei. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sei die Einzelfallbewertung der Vorinstanz nicht zu beanstanden, wenn sie zum Ergebnis komme, die spezifische Form der von der Beklagten beanstandeten Darstellung gehe zwar an die Grenze unzulässiger Schleichwerbung, nicht aber darüber hinaus. Rechtsfehlerfrei habe sie festgestellt, dass den einzelnen Kommentaren des Beitrags ein sich in die Thematik einpassender objektiver Informationswert nicht abzusprechen sei, der nicht notwendig als Anpreisung, sondern auch als Illustration der thematisierten Zeiterscheinung »Heimwerken« zu verstehen sei.
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