Russischer Programmierer aus US-Haft entlassen
Drei Wochen nach seiner Verhaftung in den USA ist der russische Programmierer Dmitry Sklyarov vorläufig aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Ein Gericht in San Jose setzte den Haftbefehl gegen den Russen am 6.8.2001 gegen eine Kaution von 50.000 US-Dollar ausser Vollzug und wies Sklyarov an, Nordkalifornien bis zum Abschluss seines Strafverfahrens nicht zu verlassen. Eine erste Anhörung wurde für den 28.8.2001 angesetzt. Die Strafverfolgungsbehörden werfen dem Programmierer wegen eines Vortrags auf einem Kongress in Las Vegas einen Verstoß gegen den Digital Millenium Copyright Act (DMCA) vor. Die Verhaftung des 27jährigen Familienvaters hatte weltweit zu heftiger Kritik geführt.
Sklyarov hatte Mitte Juli in Las Vegas auf dem Kongress "Def Con" ein Programm zur Entschlüsselung von Adobes "e-Book"-Format vorgestellt. Dabei erläuterte er unter anderem, wie mit seinem "Advanced eBook Processor" der Kopierschutz von Adobes "eBooks" umgangen werden kann. Nach einer Beschwerde des Unternehmens wurde der Programmierer daraufhin am 16.7.2001 von Beamten des Federal Bureau of Investigations (FBI) festgenommen. Unter dem Eindruck wachsenden öffentlichen Drucks nahm Adobe seine Anzeige allerdings schon am 23.7.2001 wieder zurück und forderte, den Russen freizulassen und die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn einzustellen. Im Fall einer Verurteilung nach dem DMCA drohen dem Angestellten des Moskauer Unternehmens ElcomSoft bis zu fünf Jahre Haft oder 500.000 US-Dollar Geldstrafe.
Die Electronic Frontier Foundation (EFF) begrüßte die Entscheidung des Gerichts. Die US-Bürgerrechtsorganisation hatte sich seit der Verhaftung für die Freilassung Sklyarovs eingesetzt. Ein Sprecher der EFF betonte, man sei nach wie vor der Meinung, dass das Strafverfahren gegen den Programmierer eingestellt werden solle. Eine Freilassung gegen Kaution sei aber "besser als nichts". Die Strafverfolgungsbehörden hatten eine Freilassung des Russen gegen Sicherheitsleistung bisher wegen angeblicher Fluchtgefahr abgelehnt.
Rechtlich hat die Verhaftung von Sklyarov große Ähnlichkeit mit dem Fall des Princeton-Professors Edward Felten. Der Forscher hatte Anfang des Jahres gemeinsam mit Kollegen von der Rice University vier Verfahren zur Kennzeichnung von Musik mit digitalen Wasserzeichen entschlüsselt. Die Ergebnisse seiner Arbeit wollte Felten im April 2001 auf einem Kongress in Pittsburg vorstellen. Nachdem die US-Musikindustrie von ihm verlangt hatte, bestimmte Abschnitte seines Vortrags zu streichen, erhob Felten Anfang Juni 2001 Klage gegen die Recording Industry Association of America (RIAA). Der Wissenschaftler will gerichtlich sein Recht feststellen lassen, seine Forschungsergebnisse zu zu veröffentlichen. Die Regelungen des DMCA, die dieses Recht einschränken, hält Felten für verfassungswidrig.
Entscheidend ist im Fall Felten wie im Fall Sklyarov Abschnitt 1201 des U. S. Copyright Act. Die Verbreitung von Mitteln zur Umgehung von Kopierschutzmechanismen ist nach dieser Vorschrift grundsätzlich untersagt. Veröffentlichungen zu wissenschaftlichen Zwecken lässt das Gesetz nur ausnahmsweise und nur unter nähere geregelten Voraussetzungen zu. Unter anderem muss der betroffene Forscher das geschützte Werk rechtmäßig erlangt haben und die Veröffentlichung zu Zwecken der Forschung erforderlich sein. Außerdem stellt das Gesetz darauf ab, ob der Forscher die Ergebnisse seiner Arbeit dem Rechteinhaber zur Verfügung stellt, um diesem eine Verbesserung der Kopierschutzmechanismen zu ermöglichen. In die Kritik geraten sind diese Regelungen nicht nur, weil sie die Meinungsfreiheit einschränken. Fachleute warnen, die Vorschriften seien auch innovationsfeindlich, weil sie die Diskussion über mögliche Verbesserungen verhinderten. Außerdem ermöglichten sie es Unternehmen, Sicherheitslücken in ihren Produkten zu verheimlichen.
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