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07.09.2001; 11:32 Uhr
US-Musiker beklagen sich über "Knebelverträge" der Plattenindustrie
New York Times berichtet von Anhörung des kalifornischen Senats

Musiker in den USA beklagen sich zunehmend über angebliche "Knebelverträge" der Plattenindustrie. Wie die New York Times am 6.5.2001 berichtet, brachte eine Anhörung eines Ausschusses des Senats von Kalifornien Anfang September 2001 Erstaunliches über die in der Branche üblichen Praktiken zu Tage. Junge Musiker müssen sich danach teilweise nicht nur verpflichten, jahrzehntelang ein neues Album jährlich bei ihrem Verleger abzuliefern. Sie müssen sich von den Plattenfirmen außerdem ihren Lebenswandel vorschreiben lassen, beispielsweise ihren Wohnsitz. Die Nachwuchskünstler beschwerten sich in der Anhörung auch darüber, dass ihnen Sozialleistungen verwehrt blieben, in deren Genuss gewöhnliche Arbeitnehmern kämen. Die Musikverleger verteidigten die Vertragspraxis nach dem Bericht der New York Times in der Anhörung als "unproblematisch" und warnten davor, Einzelfälle zu verallgemeinern. Die Unternehmen wiesen auf das hohe wirtschaftliche Risiko hin, das sie beim langjährigen Aufbau unbekannter Künstler auf sich nähmen.

Als beispielhaft gibt die New York Times die Aussage des Country-Stars LeAnn Rimes wieder. Die 19jährige rechnete dem Ausschuss vor, sie würde 35 Jahre alt sein, wenn sie die 21 Alben produziert hätte, die sie ihrem Plattenverleger vertraglich schulde. Abgeschlossen hätte sie den Vertrag mit zwölf Jahren ohne wirklich zu verstehen, was sie unterschreibe. Rimes erwähnte gegenüber den Ausschussmitgliedern auch eine Vertragsklausel, nach der sie ihren Wohnsitz nur in zwei US-Bundesstaaten wählen dürfe, nämlich in Texas oder Tennessee, den Zentren der amerikanischen Country-Musik. Unterstützung bekam Rimes in der Anhörung vom ehemaligen Eagles-Mitglied Don Henley und Courtney Love, der Witwe von Nirvana-Sänger Curt Cobain. Sieben-Jahres-Verträge zwischen Musikern und Plattenfirmen sind nach dem Bericht der New York Times in den USA üblich. Viele Künstler seien aber gezwungen, ihre Verträge zu verlängern, wenn es ihnen nicht gelinge, das vertraglich geschuldete Album pro Jahr fertig zu stellen.

Spannungen zwischen Musikern und US-amerikanischer Plattenindustrie sind schon in der Vergangenheit deutlich geworden. Bei einer Anhörung des Rechtsausschusses des US-Senats Anfang April 2001 zu Fragen des geistigen Eigentums im Internet beklagten sich Musikstars, die Belange der Künstler würden von den Musikverlegern oft genug ignoriert. Unter anderem beschwerte sich die Sängerin Alanis Morissette, die Plattenfirmen verhandelten über die Köpfe ihrer Künstler hinweg. Dass sich der US-amerikanische Gesetzgeber in die Auseinandersetzung einschalten wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Eine Klärung der Streitigkeiten ist wohl eher von den amerikanischen Gerichten zu erwarten. Die New York Times erinnert in ihrem Bericht deswegen auch an den Fall der Schauspielerin Olivia de Havilland. Der Leinwandstar hatte in den 40er Jahren wegen ihrer Vertragsbedingungen erfolgreich das Studio Warner Bros. verklagt. Die Richter entschieden damals, es sei rechtwidrig, Schauspieler jahrelang an einen Filmproduzenten zu binden, und läuteten damit das Ende des sogenannten "Studio-Systems" in Hollywood ein.

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[IUM/jz]

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