Wird das Recht zur Privatkopie abgeschafft?
Im Deutschen Bundestag sind Forderungen laut geworden, das gesetzliche Recht zur Anfertigung von Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken einzuschränken. Bereits seit Mitte März 2001 liegt ein Beschlussantrag der FDP-Bundestagsfraktion vor, der die Entscheidung über die Zulässigkeit von Privatkopien digitaler Werke weitgehend den Rechteinhabern überlassen möchte. Nach dem Willen der Liberalen soll es den Rechteinhabern beispielsweise überlassen werden, ob sie die Vervielfältigung digital aufgezeichneter Werke durch Kopierschutzverfahren beschränken oder ganz ausschließen. In ihrer Vorlage stellen sich die freien Demokraten folgerichtig auf den Standpunkt, die Vervielfältigung von Werken unter Umgehung von Kopierschutzmechanismen müsse auch dann rechtswidrig sei, wenn sie ausschließlich zu privaten Zwecken erfolge. Falls sich die Fraktion mit ihrer Auffassung durchsetzt, würde sich in Zukunft beispielsweise strafbar machen, wer ausschließlich zum privaten Gebrauch eine kopiergeschützte Musik-CD vervielfältigt. Die Vorschläge der FDP stehen allerdings im Widerspruch zu Äußerungen der Bundesregierung. Ein Vertreter des Bundesjustizministeriums hatte vor kurzem erklärt, völlig sperrende Kopierschutzverfahren seien in Deutschland "nicht erwünscht".
In dem Beschlussantrag der FDP-Fraktion heißt es, die Berechtigung zur zustimmungsfreien Erstellung von Vervielfältigungsstücken zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch im Sinn von § 53 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) erstrecke sich auch auf digitale Vervielfältigungen. Das Recht lasse aber das Recht der Urheber oder sonstiger Berechtigten unberührt, mit Hilfe technischer Einrichtungen, insbesondere durch Kopierschutzmechanismen, "die Möglichkeit zur digitalen Vervielfältigung eines Werkes von der Zahlung eines Entgelts abhängig zu machen, auf sonstige Weise zu beschränken oder ganz auszuschließen". Die hierzu gegebenenfalls erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen seien umgehend zu schaffen, fordern die Abgeordneten. Werde ein derart in seiner Kopierfähigkeit verändertes Werkstück "unter Überwindung oder Missachtung des Kopierschutzes" vervielfältigt, stelle diese Vervielfältigung einen Verstoß gegen das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers dar, und zwar auch dann, "wenn sie zu Zwecken im Sinne von § 53 UrhG vorgenommen wird".
Das Bundesjustizministerium will dagegen gerade mit Blick auf immer wirkungsvollere Kopierschutzverfahren am Recht der Verbraucher auf Privatkopien festhalten. Ein Vertreter der Behörde, Elmar Hucko, sprach sich Ende August 2001 auf einer Tagung in Berlin dafür aus, das im UrhG geregelte entsprechende Recht auch bei Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in angemessenem Umfang aufrechtzuerhalten. Die Verwertungswirtschaft forderte Hucko auf, Kopierschutzmechanismen und Verfahren zum digitalen Rechtemanagement (DRM) so zu gestalten, dass sie Vervielfältigungen erst "bei der dritten oder vierten Kopie" verhinderten. Völlig sperrende Kopierschutzverfahren seien in Deutschland "nicht erwünscht". Der für Wirtschaftsrecht zuständige Abteilungsleiter des Ministeriums kündigte an, der Gesetzgeber werde dies auch entsprechend klarstellen.
Das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) erklärt in seinem § 53 Absatz 1 Satz 1 die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke zum privaten Gebrauch für zulässig. Die Kopien dürfen nach Satz 2 der Vorschrift auch durch Dritte hergestellt werden, in der Regel aber nur, wenn dies unentgeltlich geschieht. Nach § 54 des UrhG kann der Urheber der vervielfältigten Werke von den Herstellern von Vervielfältigungsgeräten und -materialien aber als Ausgleich eine angemessene Vergütung verlangen, die in Form von Urheberrechtsabgaben in seinem Namen von den Verwertungsgesellschaften erhoben werden. Vorschriften, die es untersagen, die Anfertigung von Privatkopien durch technische Maßnahmen zu verhindern, enthält das UrhG bisher nicht. § 69d des UrhG regelt allerdings für Computerprogramme, dass die Erstellung einer Sicherungskopie durch eine Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist, nicht vertraglich untersagt werden darf. Nach der Rechtsprechung sind Programme, die die Anfertigung einer Sicherungskopie durch technische Sperren verhindern, deshalb mangelhaft und lösen Gewährleistungsansprüche des Käufers aus.
Dokumente:
- Beschlussantrag der FDP-Bundestagsfraktion vom 14.3.2001 (Drs.-Nr. 14/5577)
- EU-Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (EU-Urheberrechtsrichtlinie), 2001/29/EG, konsolidierte Fassung
- Urheberrechtsgesetz (UrhG)
Institutionen:
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