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05.11.2001; 17:27 Uhr
Kalifornisches Gericht billigt Veröffentlichung der DeCSS-Codes
Als freie Meinungsäußerung von Verfassung geschützt - Rückschlag für Filmindustrie

Die US-Filmindustrie hat in ihrem Kampf gegen die Herstellung illegaler Kopien von DVDs einen Rückschlag erlitten. Ein kalifornisches Berufungsgericht entschied am 1.11.2001 in San Jose, dass die Veröffentlichung der sogenannten DeCSS-Codes im Internet als freie Meinungsäußerung von der Verfassung gedeckt sei (Az. CV-786804). Die Richter urteilten, bei den Programmanweisungen, die eine Entfernung des bei DVDs verwendeten sogenannten Content Scrambling Systems (CSS) und ein Abspeichern von DVDs auf Festplatte oder CD-ROM ermöglichen, handele es sich um "reine Meinungsäußerung" ("pure speech"). Eine anderslautende einstweilige Verfügung der Vorinstanz, die auf Antrag der Filmindustrie erlassen worden war, hoben die Richter als verfassungswidrig auf. Während US-Bürgerrechtsorganisationen die Entscheidung als "großen Sieg" begrüßten, kündigten die Klagevertreter Rechtsmittel an. In den USA sind noch eine Reihe ähnlicher Verfahren anhängig, darunter gegen das Internetangebot 2600.com, das auf seinen Seiten die DeCSS-Codes zum Herunterladen angeboten hatte. Die US-Filmindustrie beruft sich darauf, die Codes seien ausschließlich zu rechtswidrigen Zwecken entwickelt worden, nämlich zur Umgehung des Kopierschutzes urheberrechtlich geschützter Werke. Unterstützer der Internetanbieter halten dem entgegen, DeCSS könne auch dazu genutzt werden, um auch nach US-amerikanischem Urheberrecht als "angemessene Nutzung" ("fair use") zulässige Vervielfältigungen herzustellen.

In ihrer Urteilsbegründung schrieben die Richter, bei den DeCSS-Codes handele es sich um den "schriftlichen Ausdruck von Ideen und Informationen des Autors" über die Möglichkeit zur Entschlüsselung des Kopierschutzes von DVDs ohne Einsatz der dafür vom Hersteller vorgesehenen Verfahren. Obwohl der soziale Wert der Anweisungen möglicherweise fragwürdig sei ("questionable"), handele es sich nichtsdestoweniger um eine reine Meinungsäußerung. Dass der Beklagte, der die Codes veröffentlicht habe, unter Umständen nicht deren Urheber sei, spiele keine Rolle. Das Gericht folgte auch nicht der Argumentation der Filmindustrie, dass dem Betreiber des Internetangebots eine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ("trade secrets") zur Last falle. Die Richter meinten, der Beklagte habe die Codes weder gestohlen noch habe er sie zu rechtswidrigen Zwecken missbraucht. Die Veröffentlichung der Codes vorbeugend zu untersagen, um ihren Missbrauch von vornherein zu unterbinden, komme einer Zensur gleich ("prior restraint"), was mit der Redefreiheit in keinem Fall zu vereinbaren sei. Das gesetzliche Recht der Filmindustrie, ihre wirtschaftlich wertvollen Geschäftsgeheimnisse zu schützen, müsse hier hinter dem von der Verfassung gewährten Recht auf freie Meinungsäußerung zurückstehen. Die Richter verwiesen auf frühere Entscheidungen anderer amerikanischer Gerichte, nach denen noch nicht einmal die nationale Sicherheit der USA ("national security interests") oder lebenswichtige Regierungsinteressen ("vital governmental interests") eine Zensur rechtfertigten.

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