Unklarheit über Verhalten der Bundesregierung im Streit um Urheberrechtsreform
Nach widersprüchlichen Berichten aus der Verlagswirtschaft herrscht Unklarheit über das Verhalten der Bundesregierung im Streit um die geplante Urheberrechtsreform. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) bestätigte am 19.11.2001 Berichte des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel (Börsenblatt), der Anfang 2001 vorgelegte Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) werde "erheblich überarbeitet". Betroffen von den Änderungen seien vor allem die geplanten Vorschriften zur Einführung eines gesetzlichen Anspruchs der Urheber auf angemessene Vergütung, also der wichtigste Teil der neuen Regelungen. Die intensive Lobbyarbeit durch die Verwertungswirtschaft, nicht zuletzt durch den Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Börsenverein), habe Wirkung gezeigt. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) meldet dagegen ebenfalls am 19.11.2001, die Bundesregierung wolle den Verlegern entgegen anderslautenden Ankündigungen offenbar doch nicht entgegenkommen. Stattdessen arbeiteten die Verantwortlichen zielstrebig darauf hin, das geplante Gesetz noch vor Ende des Jahres in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden. Allem Anschein nach sei es dabei weiter geplant, Urhebervereinigungen zu ermöglichen, Verlage zum Abschluss von Kollektivvereinbarungen über die Vergütung freier Mitarbeiter zu zwingen, kritisiert der VDZ. Das Börsenblatt hat für den 20.11.2001 ein Interview mit Däubler-Gmelin angekündigt, in der diese die geplanten Änderungen am Gesetzentwurf vorstellen werde.
Bereits am 13.11.2001 hatte das Börsenblatt berichtet, das Bundesjustizministerium habe auf einem Arbeitsgespräch mit Vertretern der Verlagswirtschaft Anfang November 2001 umfangreiche Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Urheberrechtsreform angekündigt. Entsprechende Zusagen habe Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bereits Anfang Oktober 2001 in einer "Kanzlerrunde" mit Vertretern der Verlagswirtschaft gemacht. Nach der Abmachung solle das bisher von der Bundesregierung geplante Nebeneinander von vertraglichem und gesetzlichem Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung entfallen. Stattdessen solle die vertragliche Vereinbarung für den Regelfall maßgeblich bleiben. Ein gesetzlicher Anspruch solle erst eingreifen, wenn die vertraglich vereinbarte Vergütung unangemessen sei. Eine "angemessene Vergütung" solle künftig dem entsprechen, was zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach Art und Umfang der Nutzung im redlichen Geschäftsverkehr üblich war. Nach der Darstellung des Börsenblattes hat das Bundesjustizministerium außerdem zugesichert, über eine "Minimalklausel" nachzudenken, die sicherstellen soll, dass nicht jede geringe Differenz zwischen vertraglich vereinbarter und im Geschäftsverkehr üblicher Vergütung gerichtlich eingeklagt werden kann. Wie das Börsenblatt weiter berichtete, solle der gesetzliche Anspruch auf angemessene Vergütung außerdem nur noch gegenüber Vertragspartnern des Urhebers gelten und nicht, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, gegenüber jedem Werknutzer. Aufgegeben habe das Ministerium auch die Pläne, die Änderungen rückwirkend in Kraft treten zu lassen.
Die Bundesregierung hat ihren Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern am 1.6.2001 ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht, am 28.6.2001 wurde er im Bundestag in erster Lesung beraten. Nach dem Gesetzesvorschlag können Urheber von jedem, der berechtigterweise ihre Werke nutzt, eine nach Art und Umfang der Werknutzung "angemessene Vergütung" und die zu ihrer Geltendmachung erforderlichen Auskünfte verlangen. Die Höhe der Vergütung regelt der Gesetzentwurf nicht. Die Angemessenheit eines Nutzungsentgelts soll nach dem Entwurf aber vermutet werden, wenn das Entgelt in einem Tarifvertrag oder in "gemeinsamen Vergütungsregeln" festgelegt ist. Aufgestellt werden sollen diese gemeinsamen Vergütungsregeln von Urheber- und Werknutzervereinigungen, die "repräsentativ, unabhängig und zur Aufstellung ermächtigt" sein sollen. Im Streitfall soll über die Regeln ein Schiedsgericht entscheiden, gegen dessen Beschluss den Beteiligten die Klage zu den ordentliche Gerichten offen stehen soll. Verjähren sollen die gesetzlichen Vergütungsansprüche drei Jahre nach Kenntnis des Urhebers von ihrem Entstehen, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren nach diesem Zeitpunkt. Die Verlagswirtschaft, die öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunksender, die Filmhersteller, die Werbewirtschaft und die Bühnen in Deutschland haben den Gesetzentwurf in den letzten Monaten in beispielloser Einmütigkeit heftig kritisiert. Unterstützt wird die Initiative der Bundesregierung vor allem von den Gewerkschaften und den deutschen Urheberverbänden und -vereinigungen.
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