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19.11.2001; 19:16 Uhr
Presserat bezeichnet Urteil gegen Zeit-Redakteure als "katastrophal"
Journalisten hatten aus unveröffentlichten Vernehmungsprotokollen zitiert

Der Deutsche Presserat (Presserat) hat die Verurteilung von drei Redakteuren der Wochenzeitung Die Zeit wegen Zitaten aus unveröffentlichten amtlichen Vernehmungsprotokollen als "katastrophal" bezeichnet. Ein Sprecher des Presserats, Manfred Protze, forderte am 19.11.2001 gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa), die der Verurteilung zu Grunde liegende Vorschrift des Strafgesetzbuches (StGB) müsse dringend gestrichen werden. Protze kritisierte, der einschlägige Paragraf 353 d Nummer 3 des StGB sei "eine gesetzgeberische Missgeburt, die auf Kosten der Pressefreiheit disziplinarische Fragen des Staatsapparats zu regeln versucht." Das Amtsgericht Hamburg (AG) hatte drei Zeit-Mitarbeiter am 9.11.2001 wegen gemeinschaftlicher verbotener Verbreitung von Vernehmungsprotokollen schuldig gesprochen, verwarnt und Geldstrafen von jeweils 6000 Mark bestimmt. Die Verhängung der Strafen wurde allerdings zur Bewährung ausgesetzt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Die Zeit-Redakteure hatten am 20.7.2001 einen Artikel veröffentlicht, in dem sie unter dem Titel "Operation Löschtaste" wörtlich aus Vernehmungsprotokollen zitierten, die der Sonderermittler der Bundesregierung, Burkhard Hirsch, angefertigt hatte. Hirsch sollte im Auftrag der Regierung die Umstände aufklären, unter denen im Herbst 1998 im Zuge des Regierungswechsels im Bonner Bundeskanzleramt in großem Umfang Akten vernichtet und Daten gelöscht worden waren. Das entsprechende Strafverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die drei Journalisten hatten in ihrem Beitrag die Vermutung geäußert, dass der ehemalige Kanzleramtsministerim Friedrich Bohl (CDU) hinter den Vorgängen stehe, und versucht, diese Vermutung mit Passagen aus Hirschs Protokollen zu belegen. Bohl hatte unmittelbar nach Erscheinen des Artikels Strafanzeige gestellt. Die Staatsanwaltschaft warf den Zeit-Mitarbeitern vor, durch die wörtlichen Zitate wesentliche Teile von amtlichen Schriftstücken eines Strafverfahrens im Wortlaut mitgeteilt zu haben, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörert worden gewesen seien oder das Verfahren abgeschlossen gewesen sei. Paragraf 353 d Nummer 3 des StGB droht für dieses Verhalten Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe an.

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