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20.11.2001; 18:22 Uhr
Medienanstalten: Liberty soll zur Einspeisung fremder Angebote verpflichtet werden
Entwicklung an "kritischem Punkt" - Stellungnahme zur Reform der Medienaufsicht

Der Kabelnetzbetreiber Liberty Media soll nach dem Willen der deutschen Landesmedienanstalten zur Einspeisung fremder Angebote in seine Kabelnetze verpflichtet werden. Die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) erklärte am 20.11.2001 in Fulda, nur so könnten Marktoffenheit und Programmvielfalt in dem Medium gesichert werden. Falls erforderlich, müsse dafür auch der Rundfunkstaatsvertrag (RfStV) geändert werden. Die Medienwächter wiederholten außerdem ihre Forderung, das US-Unternehmen solle bei der Umrüstung der Kabelnetze auf die zukunftsträchtige digitale Technik den offenen Fernsehstandard Multimedia Home Platform (MHP) verwenden, den Liberty Media bisher aus Kostengründen ablehnt. Es dürfe im Interesse des Marktes und der Verbraucher nicht hingenommen werden, dass anderen Inhalteanbieter der Zugang zu dem Übertragungsweg durch technische Maßnahmen versperrt werde, meinten die Direktoren. Die DLM nahm ihre Sitzung in Fulda außerdem zum Anlass, ihren Standpunkt zu der von Bund und Ländern geplanten Reform der Medienaufsicht klarzustellen. Zu den Überlegungen, in Zukunft sogenannte "gemeinsame Stellen" verbindlich über medienaufsichtliche Fragen entscheiden zu lassen, warnte die DLM, die Gremien müssten weiter in den Landesmedienanstalten verankert bleiben. Die Medienwächter warnten, andernfalls würde das föderale System der Medienaufsicht in Deutschland "im Kern beschädigt". Die beabsichtigte Stärkung der Selbstkontrolle der Veranstalter begrüßte die DLM, forderte aber, die Arbeit der Selbstkontrolleinrichtungen müsse "im Kern" gesetzlich geregelt und von der Medienaufsicht formell und materiell umfassend nachprüfbar sein.

Nach Auffassung der DLM steht die Entwicklung des digitalen Rundfunks in Deutschland an einem "kritischen Punkt". Die Entscheidungen, die zu treffen wären, seien schwierig und folgenreich. Mit Liberty Media halte erstmals ein Unternehmen Kabelnetze und Inhalteproduktion in einer Hand. Die Landesmedienanstalten warnten, das US-Unternehmen könne deshalb versucht sein, in seinem eigenen Netz eigene Inhalte zu bevorzugen. Die geplante Zusammenarbeit mit der Kirch-Gruppe und die beabsichtigte Beteiligung an Kabelnetzbetreibern der Netzebene 4 machten noch deutlicher als bisher, was Liberty Media in Deutschland vorhabe. Dazu komme, dass der Konzern als Vermarkter der Kabelnetze de facto eine marktbeherrschende Stellung habe, was ihm freilich nicht vorgeworfen werden könne. Eine langfristige Verdrängung fremder Anbieter aus den Netzen lässt sich nach Auffassung der DLM nur durch eine Verpflichtung des Unternehmens verhindern, eigene und fremde Angebote nach denselben Regeln einzuspeisen. Eine solche "Durchleitung" fremder Anbieter müsse wie im Bereich der Telefonie oder der Stromversorgung gewährleistet sein. Ob es entsprechende fremde Angebote bereits gebe, dürfe dabei nicht entscheidend sein. Um überhaupt Wettbewerb im Rundfunk zu erhalten, muss nach Meinung der DLM außerdem verhindert werden, dass Liberty Media Zugriff auf die verbleibenden Kabelnetze der Netzebenen drei und vier, in Deutschland empfangbare Satelliten und das digitale terrestrische Fernsehen (DVB) bekommt.

Liberty Media hat Anfang September 2001 die letzten sechs regionalen Kabelnetze der Deutschen Telekom übernommen. Das US-Medienunternehmen bekommt mit dem Kauf Zugriff auf mehr als zehn Millionen angeschlossene Haushalte, die etwa 40 Prozent des deutschen Kabelmarktes ausmachen. Der vereinbarte Kaufpreis von 5,5 Milliarden Euro (etwa 10,8 Milliarden Mark) wird allerdings nur fällig, wenn das Bundeskartellamt die Übernahme genehmigt. Falls das Geschäft zustande kommt, will Liberty Media nach eigenen Angaben in den nächsten Jahren jährlich bis zu 1,9 Milliarden Mark (ca. eine Milliarde Euro) in den Ausbau der Kabelnetze und den in den Aufbau neuer Angebote stecken. Dabei sollen in Deutschland rund 10.000 neue Stellen geschaffen werden, unter anderem in München, wo die Deutschland-Zentrale des Unternehmens angesiedelt werden soll. Liberty Media will die Breitbandnetze auf Digitaltechnik umstellen und dort ab Sommer 2002 40 zusätzliche Fernsehprogramme, Internetzugang per Kabel und interaktives Fernsehen anbieten. Die monatliche Gebühr dafür soll zwischen 20 und 30 Mark liegen, einschließlich der Miete für den zur Nutzung der Angebote erforderlichen Dekoder. Das Unternehmen rechnen nach eigenen Angaben damit, dass es etwa ein halbes Jahr dauern wird, bis die benötigten rund zehn Million Dekoder beschafft sind.

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