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29.11.2001; 22:57 Uhr
Abgaben auf Parabolantennen verstoßen gegen EU-Recht
EuGH: Nicht vereinbar mit freiem Dienstleistungsverkehr

Abgaben, die nur auf Parabolantennen erhoben werden, sind nicht vereinbar mit europäischem Recht. Das entschied am 29.11.2001 der Europäische Gerichtshof (EuGH). Im Fall hatte eine belgische Gemeinde eine Abgabensatzung erlassen, nach der für jede in der Kommune montierte Satellitenanlage jährlich ein Betrag von etwa 250 Mark abzuführen war. Die Gemeinde begründete die Satzung mit städtebaulichen Gründen, vor allem mit einer Bekämpfung der ungezügelten Zunahme von Parabolantennen im Gemeindegebiet. Ein betroffener Gemeindebürger war gegen die Satzung gerichtlich vorgegangen, weil er sich im freien Empfang von Fernsehprogrammen aus anderen Mitgliedsstaaten beeinträchtigt sah. Der EuGH, dem die Satzung durch ein belgisches Gericht zur Überprüfung vorgelegt worden war, gab dem Kläger recht. Die Richter führten aus, direkte Steuern fielen zwar nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Union (EU), sondern sei Sache der Mitgliedsstaaten. Diese müssten ihre Befugnisse zur Steuerfestsetzung aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben. Im Fall hätte die Gemeinde nicht berücksichtigt, dass sie die durch den EU-Vertrag gewährleistete Dienstleistungsfreiheit ihrer Bürger einerseits und die von Programmanbietern in anderen Mitgliedsstaaten andererseits einschränke. Städtebaulichen Belangen könne auch durch weniger einschneidende Maßnahmen Rechnung getragen werden, beispielsweise durch Bestimmungen für die Größe von Parabolantennen oder den Ort ihrer Anbringung (Az. C-17/00).

Parabolantennen werden in der EU bei den Verbrauchern immer beliebter. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission (Kommission) waren Mitte des Jahres 2000 in der EU bereits fast 30 Millionen Haushalte mit Satellitenempfangsanlagen ausgestattet. Bei der Kommission sind auch deswegen in der Vergangenheit zahlreiche Beschwerden von Unionsbürgern eingegangen, die sich im Zusammenhang mit der Montage von Parabolantennen von den Behörden in den Mitgliedsstaaten falsch behandelt fühlten. Der für den europäischen Binnenmarkt zuständige Kommissar Frits Bolkestein hat deshalb erst Anfang Juli 2001 in Brüssel das "Recht auf die Parabolantenne" verkündet. Jeder Unionsbürger habe grundsätzlich das Recht darauf, sich eine "Satellitenschüssel" anzuschaffen und zu nutzen, erklärte Bolkestein. Jeder Verbraucher in der EU müsse eine solche Antenne frei von ungerechtfertigten Einschränkungen nutzen können. Überzogene technische oder städtebauliche Anforderungen seien genauso unzulässig wie besondere Abgaben auf Satellitenschüsseln. Den Unionsbürgern empfahl Bolkestein schon damals, sich gegenüber den nationalen Behörden auf die Dienstleistungsfreiheit, den freien Warenverkehr und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zu berufen. Der Empfang von Satellitenprogrammen dürfte auch nicht durch komplizierte oder teuere Verwaltungsverfahren erschwert werden.

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