Wirtschaftsausschuss gibt grünes Licht für Zugangskontrolldiensteschutzgesetz
Dem kostenlosen "Schwarzsehen" beim Bezahlfernsehsender Premiere World soll schon bald ein Riegel vorgeschoben werden. Der Wirtschaftsausschuss des Bundestages gab am 30.1.2002 mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN grünes Licht für den Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz über den Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten (Zugangskontrolldiensteschutzgesetz). Gegen den Gesetzentwurf stimmten die Abgeordneten von CDU, CSU und FDP, die PDS enthielt sich der Stimme. Ziel des Gesetzes ist es, die unberechtigte Nutzung kostenpflichtiger Angebote von Rundfunksendern und Tele- und Mediendiensten zu unterbinden. Nach dem Willen der Bundesregierung soll die gewerbsmäßige Einfuhr und Verbreitung von Einrichtungen, mit denen die Verschlüsselung solcher Angebote umgangen werden kann, in Zukunft mit Freiheits- und Geldstrafen bis zu 50.000 Euro belegt werden können. Nach einem Vorschlag der Unionsabgeordneten im Ausschuss sollte auch nicht gewerbsmäßiges Handeln unter Strafe gestellt werden. Die Parlamentarier begründeten diesen Vorstoß damit, der größte Schaden entstehe in der Praxis durch private "Schwarzseher". Auch sei gewerbsmäßiges Handeln regelmäßig nur schwer nachzuweisen. Die Abgeordneten konnten sich mit dieser Forderung aber nicht durchsetzen.
Nach Branchenkennern liegt die Zahl der Schwarzseher bei Premiere World im hohen fünfstelligen Bereich. Allein bei abgestimmten Polizeieinsätzen Anfang Dezember 2001 wurden im gesamten Bundesgebiet mehr als 8000 gefälschte "Smartcards" beschlagnahmt, die einen kostenlosen Empfang des Senders ermöglichen. Außerdem wurden zahlreiche Computer, Kartenleser und gestohlen Decoder sichegestellt. Ein von der Kirch-Gruppe in Auftrag gegebenes TÜV-Gutachten hat schon Ende 2000 bestätigt, dass das in Kirchs d-Box verwendete Verschlüsselungssystem Betacrypt von Hackern geknackt worden ist. Durch Einsatz bestimmter Geräte, die im Fachhandel schon für knapp Hundert Mark erhältlich seien, könnten abgelaufene Premiere World-Karten mit Hilfe von Anleitungen aus dem Internet mit verhältnismäßig wenig Aufwand wieder aktiviert werden. Nach Einschätzung des TÜV sind der Kirch-Gruppe dadurch allein im vergangenen Jahr 90.000 potenzielle Premiere World-Kunden verloren gegangen. Den entstehenden Schaden zu begrenzen versucht das Unternehmen durch den regelmäßigen Wechsel der Verschlüsselungssoftware, wie er zuletzt am 20.11.2001 vorgenommen wurde. Trotz dieser Maßnahmen schätzt die Kirch-Gruppe den Schaden durch die Verwendung gefälschter Smartcards europaweit auf mehrere Hundert Millionen Euro jährlich.
Ob die Verwendung sogenannter "Piratenkarten" zum kostenlosen Ansehen von Bezahlfernseh-Programmen oder von "geknackten" Empfangsgeräten für digitales Fernsehen bereits nach geltendem Recht strafbar ist, ist umstritten. § 263a des Strafgesetzbuches (StGB) droht für die "unbefugte Verwendung von Daten" Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe an. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Datenverwendung mit der Absicht erfolgt, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Vorschrift fordert für einen derartigen "Computerbetrug" also eine Vermögensschädigung, die beispielsweise beim Schwarzsehen von Bezahlfernseh-Kanälen regelmäßig schwer nachzuweisen sein wird. Auch nach § 265a des StGB, der das "Erschleichen von Leistungen" unter Strafe stellt, lässt sich eine Strafbarkeit nicht ohne Weiteres begründen. Die Regelung verlangt das Erschleichen der Leistung "eines Automaten" oder des Zutritts "zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung".
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