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18.02.2002; 18:16 Uhr
Liberty Media macht Bundeskartellamt keine Zugeständnisse
Aus für Übernahme der Kabelnetze von der Deutschen Telekom wahrscheinlich

Das US-Unternehmen Liberty Media will bei der Übernahme von sechs regionalen Kabelgesellschaften der Deutschen Telekom trotz einer Abmahnung des Bundeskartellamts keine Zugeständnisse machen. Das teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Unternehmens, der Rechtsanwalt Frank Montag, am 18.2.2002 in Frankfurt. Eine entsprechende Stellungnahme habe Liberty Media bereits am 15.2.2002 gegenüber der Berliner Behörde abgegeben. Montag zeigte sich zuversichtlich, dass die Wettbewerbshüter der Übernahme doch noch zustimmen würden. "Wir geben das Verfahren noch nicht verloren und hoffen, das Kartellamt zu überzeugen", erklärte der Rechtsanwalt. Der Einstieg von Liberty Media im deutschen Kabelgeschäft würde den Wettbewerb in einigen Bereichen sogar verbessern, beispielsweise im Telekommunikationsbereich. Das hätte die Behörde nicht angemessen berücksichtigt. Falls das Bundeskartellamt die Übernahme doch untersagen sollte, will Liberty Media nach den Worten Montags allerdings keine Ministererlaubnis bei Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) beantragen. "Auch mit einer Erlaubnis hätte das Unternehmen weiterhin eine Behörde im Nacken, die diesen Kauf eigentlich missbilligt", meinte Montag. Die Entscheidung über den Kabelnetzverkauf hat das Bundeskartellamt für den 28.2.2002 angekündigt.

Die deutschen Landesmedienanstalten bedauerten in einer ersten Stellungnahme, dass Liberty Media den Bedenken des Bundeskartellamts nicht Rechnung getragen habe. Der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Rundfunkanstalten (DLM), Norbert Schneider, und der Vorsitzende der Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang, Hans Hege, meinten, das US-Unternehmen sei damit jedenfalls vorerst aus dem deutschen Kabelmarkt ausgestiegen. Schneider und Hege betonten allerdings, Liberty Media sei mehr an sich selbst gescheitert als am Bundeskartellamt. Das Unternehmen habe nicht auf attraktive Angebote, sondern auf die Verdrängung anderer Wettbewerber und den Aufbau einer Alleinstellung gesetzt. Bedauerlich ist die Gefährdung des Einstiegs der US-Amerikaner in das Kabelgeschäft nach Ansicht der Medienwächter vor allem deswegen, weil er den Ausbau der Kabelnetze und damit die Schaffung eines Marktes für das digitale Fernsehen in einem schwierigen Entwicklungsabschnitt behindert. Schneider und Hege wiesen darauf hin, dass der Kabelindustrie in ganz Europa nach den UMTS-Versteigerungen Geld fehle. Die Unternehmen seien hoch verschuldet, die Kabelnetzbetreiber UPC und NTL beispielsweise höher als die Kirch-Gruppe. Die DLM-Vertreter forderten deshalb, nun müsse die Bundespolitik dafür sorgen, dass die Trennung der Kabelnetze von der Deutschen Telekom schnell vollendet würde. Ernsthaft geprüft werden müsse beispielsweise, die Netze im Wege eines Aktiensplits in eine neue Gesellschaft auszulagern, die dann neuen Investoren offen stehe.

Das Bundeskartellamt hatte am 31.1.2002 mitgeteilt, dass es die Übernahme der Kabelnetze der Deutschen Telekom durch Liberty Media nach jetzigem Stand der Prüfung untersagen werde. Die Wettbewerbshüter begründeten ihre Abmahnung damit, dass das US-Unternehmen beim Zustandekommen des Geschäftes in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung im Endkundenmarkt, Einspeisemarkt und auf dem Signallieferungsmarkt erhalten würde. Das würde zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs in diesen Bereichen führen. Der Präsident der Behörde, Ulf Böge, wies darauf hin, dass es Liberty Media bisher auch nicht gelungen sei, nachzuweisen, dass die nachteiligen Folgen für den Wettbewerb auf den Kabelmärkten durch eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen auf anderen Märkten aufgewogen würden. Das Bundeskartellamt hatte vor allem darauf gehofft, dass der Einstieg von Liberty Media zu mehr Konkurrenz im Telefonortsnetz führen könnte, wo die Deutsche Telekom bisher noch weitgehend Alleinanbieter ist. Um über die Kabelnetze in Zukunft auch Internetzugänge oder Sprachtelefonie anzubieten, wären aber erhebliche Ausgaben erforderlich, die Liberty Media offenbar scheut. Stattdessen hatte das US-Unternehmen vorübergehend darüber nachgedacht, eine Minderheitsbeteiligung an Kirchs Bezahlfernsehsender Premiere World zu erwerben. Inzwischen hat der Medienkonzern diese Pläne aber wieder aufgegeben.

Liberty Media hat sich Anfang September 2001 mit der Deutschen Telekom über die Übernahme von sechs regionalen Kabelnetze geeinigt. Das US-Medienunternehmen bekäme mit dem Kauf Zugriff auf mehr als zehn Millionen angeschlossene Haushalte, die etwa 40 Prozent des deutschen Kabelmarktes ausmachten. Der vereinbarte Kaufpreis von 5,5 Milliarden Euro (etwa 10,8 Milliarden Mark) wird allerdings nur fällig, wenn das Bundeskartellamt die Übernahme genehmigt. Liberty Media-Chef Malone ist es außerdem gelungen, umfangreiche Ausstiegsklauseln für den Fall durchzusetzen, dass sich die medien- oder wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen für das Vorhaben verschlechtern. Falls das Geschäft zustande kommt, will Liberty Media nach eigenen Angaben in den nächsten Jahren jährlich bis zu 1,9 Milliarden Mark (ca. eine Milliarde Euro) in den Ausbau der Kabelnetze und den in den Aufbau neuer Angebote stecken. Dabei sollen in Deutschland rund 10.000 neue Stellen geschaffen werden, unter anderem in München, wo die Deutschland-Zentrale des Unternehmens angesiedelt werden soll. Liberty Media will die Breitbandnetze auf Digitaltechnik umstellen und dort ab Sommer 2002 40 zusätzliche Fernsehprogramme, Internetzugang per Kabel und interaktives Fernsehen anbieten. Ob dabei der digitale Fernsehstandard Multimedia Home Platform (MHP) zum Einsatz kommen wird, ist noch unklar. ARD, ZDF, RTL und die Kirch-Gruppe drängen auf die Verwendung der offenen Schnittstelle, um auch den Zugang von Drittanbietern zu den Kabelnetzen sicherzustellen. Liberty Media möchte aus Kostengründen auf MHP verzichten.

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[IUM/jz]

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