Neue Medien setzen auch nach Erfurt weiter auf Selbstkontrolle
Die Unternehmen setzen in den neuen Medien auch nach dem Amoklauf von Erfurt weiter vor allem auf Selbstkontrolle. Der Bundesverband Informationstechnik, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) bezeichnete den Schutz vor jugendgefährdenden und rechtswidrigen Inhalten im Internet am 2.5.2002 als "gesamtgesellschaftliche Aufgabe". BITKOM-Geschäftsführer Bernhard Rohleder betonte, wirksamer Jugendschutz könne in den neuen Medien nur durch weitere Selbstregulierung der Wirtschaft, internationale Zusammenarbeit und erhöhte Anstrengungen im familiären Umfeld für die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen erreicht werden. Mehr Eigenverantwortung der Nutzer und Aufmerksamkeit der Erziehungsberechtigten sei beispielsweise bei der Nutzung freiwilliger Kennzeichnungssysteme erforderlich. Ihr wirkungsvoller Einsatz scheitere nicht selten daran, dass der technische Sachverstand von Kindern höher entwickelt sei als der ihrer Eltern, beklagte der Verbandssprecher. Forderungen nach einem stärkeren Vorgehen gegen deutsche Internetprovider, die den Zugang zu jugendgefährdenden oder rechtswidrigen Inhalten im Internet vermitteln, erteilte Rohleder eine klare Absage. Entsprechende Maßnahmen seien nicht wirksam, rechtlich fragwürdig und wirtschaftlich schädlich, meinte der BITKOM-Geschäftsführer. Auch das Europäische Parlament habe sich vor kurzem gegen die Sperrung von Internetangeboten und für verstärkte Selbstkontrolle ausgesprochen.
Der Kampf deutscher Behörden gegen Rechtsextremismus und Pornographie im Internet ist schwierig, weil viele Inhalte, die nach deutschem Recht strafbar sind, im Ausland vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind. Um diesem Missstand abzuhelfen, nehmen einige deutsche Bundesländer schon seit längerem die Zugangsanbieter stärker in die Pflicht, die lediglich den Zugriff auf die im Ausland abgelegten fremden Inhalten ermöglichen. Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte Ende 2001 erfolgreich rund 90 nordrhein-westfälische Internetprovider aufgefordert, rechtsextremistische Angebote aus den USA für Abrufe deutscher Nutzer zu sperren. Umgesetzt wurde die Blockade durch Änderungen an den Domain Name Servern (DNS) der Provider, die die Zuweisung von Domainnamen an die dazugehörigen IP-Adressen bewerkstelligen. Die Behörde beruft sich gegenüber den Zugangsanbietern auf ihre Befugnisse als Aufsichtsbehörde nach § 18 Absatz 3 des Mediendienstestaatsvertrages (MDStV.) Nach § 5 Absatz 3 des MdStV sind Anbieter für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, zwar nicht verantwortlich. Bei Rechtsverstößen sind die zuständigen Behörden gehalten, vorrangig gegen die Anbieter und die Betreiber der Rechner, auf denen die rechtswidrigen Angebote vorgehalten werden, vorzugehen. Falls sich solche Maßnahmen aber als nicht durchführbar oder nicht durchführbar erweisen, ermöglicht es § 18 Absatz 3 des MDStV aber, Maßnahmen zur Sperrung auch gegen reine Zugangsvermittler zu richten.
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