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15.05.2002; 19:39 Uhr
Vivendi beendet Vertrieb gewalttätiger US-Computerspiele in Deutschland
"Gewalt in Spielen führt nicht zu tatsächlicher Gewalt" - Konstruktive Diskussion gefordert

Gut zwei Wochen nach dem Amoklauf von Erfurt hat der erste Hersteller von Spielesoftware Konsequenzen aus der Diskussion um gewalttätige Darstellungen in Computerspielen gezogen. Ein deutsches Tochterunternehmen des Medienkonzerns Vivendi Universal kündigte am 15.5.2002 an, auf den Vertrieb gewalttätiger US-Computerspiele in Deutschland vorerst verzichten zu wollen. Die Vivendi Universal Interactive GmbH teilte mit, man wolle sich stattdessen in Zukunft auf die Entwicklung "konsensfähiger Spiele für den deutschen Markt" konzentrieren. Ein Unternehmenssprecher verwahrte sich gegen den Vorwurf, Gewalt in Computerspielen führe zu tatsächlicher Gewalt. Diese Behauptung habe unter anderem eine kürzlich veröffentlichte Studie der Fachhochschule Köln (FH) widerlegt, die im Auftrag des Bundesforschungsministeriums erstellt worden sei. Die Ankündigung der Firma kommt nur wenige Tage, nachdem die Bundesregierung einem Entwurf von Bundesjugendministerin Christine Bergmann (SPD) für eine Neuregelung des Jugendschutzrechts zugestimmt hat. Danach sollen in Zukunft nicht nur Videofilme, sondern auch Computerspiele und Bildschirmgeräte mit einer Alterskennzeichnung versehen werden. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hatte als Konsequenz aus dem Erfurter Amoklauf sogar ein völliges Verbot von "Killerspielen" gefordert.

Am 26.4.2002 hat ein 19jähriger ehemaliger Schüler des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums bei einem Amoklauf sechzehn Menschen erschossen. Er tötete vor allem Lehrer der Schule, aber auch zwei Schüler und einen Polizist. Anschließend richtete sich der Täter, der mit einem Schrotgewehr und einer Pistole bewaffnet war, selbst. Nach Erkenntnissen der Polizei besaß der 19jährige für das Gewehr eine Waffenbesitzkarte, die ihm wegen der Mitgliedschaft in einem Erfurter Schützenverein ausgestellt worden war. In der Wohnung des Schülers, der in seinem Bekanntenkreis als unauffällig galt, fanden die Ermittler außerdem große Mengen an Munition für die beiden Waffen. Wie die Polizei weiter bekannt gab, spielte der Amokläufer unter anderem regelmäßig das für seine lebensnahen Gewaltdarstellungen bekannte Computerspiel "Counterstrike". Wegen des Spiels läuft zur Zeit ein Verfahren bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPJS). Eine Indizierung von "Counterstrike" gilt als wahrscheinlich. Mittlerweile liegen den Polizeibehörden allerdings Erkenntnisse vor, nach dem im Erfurter Fall Computerspiele "nicht ausschlaggebend" für den Amoklauf des 19jährigen Robert Steinhäuser gewesen seien. Nach einem Täterprofil des Landeskriminalamts Thüringen war Hauptgrund der Tat vielmehr der von den Eltern ausgeübte Erfolgsdruck.

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