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11.06.2002; 18:05 Uhr
"Flutet" Musikindustrie Musiktauschbörsen mit fehlerhaften MP3-Dateien?
Berichte aus den USA - Geheimwaffe gegen rechtswidriges Kopieren von Musik und Videos?

In den USA hat die Musikindustrie möglicherweise damit begonnen, Internettauschbörsen mit Tausenden von fehlerhaften Musikdateien zu überfluten, um so das rechtswidrige Herunterladen von Liedern und Filmen unattraktiv zu machen. Das Onlinemagazin salon.com berichtet am 10.6.2002, bei Anbietern wie Audiogalaxy, Grokster oder Kazaa tauchten in letzter Zeit vermehrt Dateien auf, die die nach ihrer Bezeichnung zu erwartenden Lieder entweder gar nicht, nur gekürzt oder nur in sehr schlechter Qualität enthielten. Von den angebotenen Raubkopien des neuesten Albums des US-Musikers Eminem beispielsweise seien etwa die Hälfte unbrauchbar gewesen. Nach dem Bericht von salon.com steckt hinter den unbrauchbaren Dateien möglicherweise der Plattenverleger Interscope, der das Album vor kurzem in den USA veröffentlich hat. Das Onlinemagazin zitiert einen Bericht der Los Angeles Times vom 21.5.2002, nachdem das Label die Dateitauschbörsen absichtlich mit "Schrottkopien" ("bogus copies") der Lieder überflutet habe. Für diese Vermutung spricht auch eine Stellungnahme der Recording Industry Association of America (RIAA), des wichtigsten Branchenverbandes der US-amerikanischen Plattenindustrie. RIAA-Presidentin Cary Sherman erklärte gegenüber salon.com, ein entsprechendes Vorgehen sei eine "völlig rechtmäßige Selbsthilfemaßnahme" und eine "angemessene Antwort" auf das Problem der Musikpiraterie. Sherman meinte, die Rechteinhaber müssten verrückt sein, wenn sie diese Möglichkeit nicht nutzten.

In der Vergangenheit hat die Musikindustrie vor allem versucht, die umstrittenen Internettauschbörsen mit milliardenschweren Schadensersatzklagen in die Knie zu zwingen. Dieser Weg erwies sich allerdings schnell als kostspielig und ausgesprochen langwierig. Unternehmen wie der umstrittenen Musiktauschbörse Napster gelang es, die Gerichtsverfahren über Monate, ja teilweise über Jahre hinauszuzögern. Der Erlass einstweiliger Verfügungen scheiterte oftmals daran, dass die Verantwortlichkeit der Tauschbörsen für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer auch in den USA rechtlich nicht unumstritten ist. Die Unternehmen beriefen sich unter anderem darauf, von Rechtsverletzungen ihrer Kunden keine Kenntnis zu haben und sie aus Gründen des Datenschutzes und wegen des Fernmeldegeheimnisses auch nicht ausforschen zu dürfen. Die "Überflutung" der Tauschbörsen könnte demgegenüber eine einfache, schnelle und vergleichsweise günstige Möglichkeit sein, Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Die Anonymität der Internetangebote, der sie einen Großteil ihrer Beliebtheit verdanken, könnte sich dabei als ihre Achillesverse erweisen, denn sie ermöglicht es auch den Rechteinhabern, ohne Überprüfung durch die Anbieter falsch beschrifteten "Datenmüll" einzustellen, um andere Nutzer in die Irre zu führen. Nach ein oder zwei nutzlosen Downloads stehen die Chancen gut, dass die Anwender frustriert aufgeben. Inzwischen gibt es mit MediaDefender oder Vidius sogar Unternehmen, die den Rechteinhabern entsprechende Dienstleistungen anbieten.

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