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17.06.2002; 21:20 Uhr
Sammelklage gegen US-Musikindustrie wegen kopiergeschützter Musik-CDs
Konzerne sollen Tonträger kennzeichnen oder vom Markt nehmen

Die US-Musikindustrie soll erstmals gerichtlich gezwungen werden, kopiergeschützte Musik-CDs aus dem Markt zu nehmen oder wenigstens eindeutig zu kennzeichnen. Eine entsprechende Sammelklage gegen die fünf größten US-Plattenfirmen wurde Mitte Juni 2002 im Namen von zwei kalifornischen Verbrauchern an einem Gericht im Los Angeles eingereicht. Die Kläger begründen ihre Klage damit, die CDs seien mangelhaft, ohne dass das für Verbraucher erkennbar sei. Sie liessen sich auf PCs und älteren CD-Spielern häufig nicht oder nicht vollständig abspielen. Außerdem sei die Tonwiedergabe schlechter als bei nicht kopiergeschützten Musik-CDs. Vor allem aber verhindere der Kopierschutz, dass Verbraucher von ihrem Recht zur Anfertigung von Vervielfältigungen für private, nichtkommerzielle Zwecke Gebrauch machten. Die Recording Industry Association of America (RIAA), der wichtigste Verband der US-amerikanischen Tonträgerindustrie, nannte die Klage in einer ersten Stellungnahme "frivol" ("frivolous"). Die Urheber hätten wie jeder Eigentümer das Recht, andere vom Diebstahl ihres Besitzes abzuschrecken, meinte RIAA-Präsidentin Cary Sherman. Filmstudios und Softwarehersteller schützten ihre Produkte schon seit Jahren gegen Raubkopien, ohne dass jemals Einwände erhoben worden seien, dies sei unangemessen oder rechtswidrig.

Die EU-Urheberrechtsrichtlinie, die noch in diesem Jahr in deutsches Recht umgesetzt werden muss, erklärt technische Schutzvorrichtungen der Urheber zur Verhinderung der Vervielfältigung geschützter Inhalte ausdrücklich für zulässig. Ob nach geltendem Recht ein Verkauf kopiergeschützter Tonträger ohne entsprechende Kennzeichnung zulässig ist, ist allerdings umstritten. Die Frage hat auch bereits deutsche Gerichte beschäftigt. Beispielsweise hatte im Oktober 2001 ein Verbraucher aus Verärgerung über den Kopierschutz einer Musik-CD Strafanzeige gegen ein Unternehmen der Bertelsmann-Gruppe gestellt. Der enttäuschte Musikfan warf dem Unternehmen Betrug, Computerbetrug und Verstöße gegen das Urheberrecht vor. Grund der Anzeige waren vergebliche Versuche, eine im Laden gekaufte Musik-CD auf dem eigenen PC abzuspielen, zu kopieren und in das MP3-Format umzuwandeln. Ursache für diese Probleme war vermutlich der Einsatz eines Kopierschutzverfahrens, dass das Auslesen von Musik-CDs in den CD-ROM-Laufwerken von Computern verhindert. Der Mann beklagte sich, die Verpackung der CD habe keinen Hinweis auf diesen Kopierschutz enthalten. Er fühle sich deshalb getäuscht und in seinen Rechten als Verbraucher beschnitten. Mangels anderweitiger Hinweise dürfe er davon ausgehen, dass sich Musik-CDs auch auf Rechnern abspielen ließen, alles andere sei "völlig unüblich". Dass er erwarten könne, dass sich die CD kopieren lasse, bestätige auch das deutsche Urheberrecht, das ihm ausdrücklich die Anfertigung von Vervielfältigungen zu privaten Zwecken in gewissem Umfang gestatte.

[IUM/jz]

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