EuGH-Generalanwaltschaft hält Beweislast im deutschen Markenrecht für gemeinschaftswidrig
Nach Auffassung der Generalanwaltschaft beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist die im deutschen Recht vorgesehene Beweislastverteilung beim Streit um die Erschöpfung von Markenrechten gemeinschaftsrechtswidrig. Das teilte die Behörde am 18.6.2002 in Luxemburg mit. EuGH-Generalanwältin Christine Stix-Hackl erklärte, nach deutschem Recht müsse der, der sich auf die Erschöpfung von Markenrechten berufe, den vollen Beweis dafür führen, dass tatsächlich Erschöpfung eingetreten sei. Zum einen sei dieser Beweis oft kaum zu führen, weil die Beteiligten innerhalb einer mehrgliedrigen Vertriebskette untereinander regelmäßig keine Auskunftsansprüche hätten. Die Herkunft von Markenwaren lasse sich deshalb oft nicht aufklären. Zum anderen führe die Offenlegung des Absatzweges vor Gericht regelmäßig dazu, dass die betreffende Bezugsquelle erlösche, weil die Markeninhaber gegen "Ausbrecher" aus ihrem geschlossenen Vertriebssystem vorgehen würden. Den Rechteinhabern werde es so ermöglicht, verschiedene Märkte voneinander abzuschotten. Das aber sei eine unzulässige Beschränkung des freien Warenverkehrs innerhalb des europäischen Binnenmarktes. Stix-Hackl forderte eine Teilung der Beweislast zwischen Markeninhabern und angeblichen Markenrechtsverletzern.
Im Fall hatte der deutsche Alleinvertriebsberechtigte eines US-amerikanischen Herstellers von Markenbekleidung einen deutschen Bekleidungsgroß- und Einzelhändler verklagt, der Artikel mit der strittigen Marke in Deutschland vertrieben hatte. Der Alleinvertriebsberechtigte hatte von dem Händler wegen angeblicher Markenrechtsverletzungen Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz verlangt. Er behauptete, bei den in Deutschland verkauften Kleidungsstücken handele es sich um Ware, die ursprünglich in den USA in Verkehr gebracht worden sei. Zu einer Erschöpfung von Markenrechten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sei es deshalb nicht gekommen. Der beklagte Händler berief sich dagegen darauf, er habe die Markenware im EWR bezogen, wo sie auch vom Markeninhaber beziehungsweise mit dessen Zustimmung auf den Markt gebracht worden sei. Gleichzeitig verwahrte er sich unter Berufung auf europäisches Recht dagegen, die volle Beweislast bezüglich dieser Frage aufgebürdet zu bekommen. Der letztinstanzlich mit dem Fall befasste Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Frage daraufhin bereits im Mai 2000 dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Dokumente:
- Pressemitteilung der EuGH-Generalanwaltschaft vom 18.6.2002 (Az. 56/02)
- Schlussanträge der EuGH-Generalanwaltschaft vom 18.6.2002 (Az. C-244/00)
Institutionen:
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