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25.07.2002; 16:48 Uhr
Informationswirtschaft kritisiert hartes Vorgehen Nordrhein-Westfalens gegen Zugangsanbieter
BITKOM: Sperrungsverfügungen bringen nichts - Selbstkontrolle besser

Die Informationswirtschaft hat das harte Vorgehen Nordrhein-Westfalens gegen deutsche Zugangsanbieter kritisiert, die rechtsextremistische Internetseiten aus den USA in Deutschland zugänglich machen. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) erklärte am 25.7.2002, man bedauere die Entscheidung der Bezirksregierung Düsseldorf, die im Februar 2002 ergangenen Sperrungsverfügungen gegen knapp 80 Provider aus Nordrhein-Westfalen aufrechtzuerhalten. BITKOM-Referent Wolf Osterhaus meinte, beim Vorgehen der Behörden handele es sich um "juristisches Schattenboxen". Die von der Bezirksregierung geforderten Maßnahmen ermöglichten nur eine Sperrung einiger weniger Seiten und könnten außerdem leicht umgangen werden. Der Aufwand, den die betroffenen Unternehmen mit Einrichtung und Aufrechterhaltung der Sperren hätten, sei deshalb "völlig überflüssig". Osterhaus kritisierte, die Behörden setzten mit dem Vorgehen gegen die Zugangsanbieter an der falschen Stelle an. Ein wirksamer Schutz vor rechtswidrigen oder jugendgefährdenden Angeboten im Internet könne viel wirkungsvoller durch freiwillige Selbstkontrolle der Inhalteanbieter, internationale Zusammenarbeit und erhöhte Anstrengungen im familiären Umfeld für die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen erreicht werden. Auch das Europäische Parlament habe sich vor kurzem gegen die Sperrung von Internetangeboten und für verstärkte Selbstkontrolle ausgesprochen.

Die Bezirksregierung Düsseldorf hat vor wenigen Tagen damit begonnen, die ersten Widersprüche betroffener Unternehmen gegen Sperrungsverfügungen der Behörde vom Frühjahr 2002 zurückzuweisen. Ein Muster eines entsprechenden Musterbescheids wurde am 22.7.2002 im Internet veröffentlicht. Die Bezirksregierung hatte im Februar 2002 knapp 80 Zugangsanbieter aus Nordrhein-Westfalen dazu verpflichtet, den Zugang zu zwei US-amerikanischen Internetangeboten mit rechtsextremistischem Inhalt zu sperren. Umgesetzt wurde die Blockade durch Änderungen an den Domain Name Servern (DNS) der Provider, die die Zuweisung von Domainnamen an die dazugehörigen IP-Adressen bewerkstelligen. Ein Teil der betroffenen Unternehmen hatte gegen diese Anordnung Widerspruch eingelegt. Die von den Providern vorgebrachten Einwände wies die Bezirksregierung nun zurück. Die Behörde berief sich nochmals auf ihre Befugnisse als Aufsichtsbehörde nach dem Mediendienstestaatsvertrag (MDStV). Nach dem MDStV sind Anbieter für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, zwar nicht verantwortlich. Bei Rechtsverstößen sind die zuständigen Behörden gehalten, vorrangig gegen die Anbieter und die Betreiber der Rechner, auf denen die rechtswidrigen Angebote vorgehalten werden, vorzugehen. Falls sich solche Maßnahmen aber als nicht durchführbar oder nicht durchführbar erweisen, ermöglicht es der MDStV aber auch, Maßnahmen zur Sperrung auch gegen reine Zugangsvermittler zu richten.

Die Zugangsanbieter hatten sich in ihren Widersprüchen auf den Standpunkt gestellt, die Bezirksregierung sei für die Sperrungsverfügungen gar nicht zuständig gewesen. Eine Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus dem MDStV, weil das Anbieten eines Zugangs allein kein Mediendienst im Sinn des Staatsvertrages, sondern ein Teledienst im Sinne des Teledienstegesetzes (TDG) sei. Die Behörde lehnte diese Ansicht ausdrücklich ab. Sie verwies auf den Anbieterbegriff in § 3 Absatz 1 MDStV. Danach sei Anbieter im Sinn des MDStV gerade auch, wer nur den Zugang zur Nutzung vermittele, ohne selbst eigene oder fremde Mediendienste zur Nutzung bereit zu halten. Einer abweichenden Stellungnahme des Kommunikationsrechtlers Thomas Hoeren schloss sich die Bezirksregierung nicht an. Außerdem wies sie darauf hin, dass sie auch dann zuständig wäre, falls tatsächlich das TDG anwendbar wäre. Die Behörde liess auch den Einwand nicht gelten, die vorgenommene Sperrungen liessen sich technisch leicht umgehen. Der MDStV fordere nicht, dass eine Sperrung dazu führe, dass ein bestimmtes Angebot überhaupt nicht mehr erreichbar sei. Dass der Zugang über technische Eingriffe wieder hergestellt werden könne, habe der Gesetzgeber bei Erlass bewusst in Kauf genommen. Die Bezirksregierung wies auch den Vorwurf zurück, durch das Vorgehen würden nordrhein-westfälische Unternehmen gegenüber Anbietern in anderen Bundesländern benachteiligt. Dass ausserhalb Nordrhein-Westfalens nicht so konsequent gegen Zugangsanbieter vorgegangen werde, sei zwar "bedauerlich" und "unverständlich". Es schmälere aber nicht das Recht und die Pflicht der Behörde, im eigenen Zuständigkeitsbereich einzuschreiten.

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