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27.06.2025; 16:29 Uhr
Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts Dean Spielmann
zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit einer kritischen Ausgabe eines bereits bestehenden Werks

Am 26. Juni 2025 wurden die Schlussanträge von Generalanwalt Dean Spielmann in der Rechtssache C-649/23 veröffentlicht. Der Generalanwalt befasste sich darin mit der Frage, ob eine kritische Ausgabe eines gemeinfrei gewordenen Werks, das den Text des Originalwerks zusammen mit Kommentaren und dem erforderlichen kritischen Apparat wiedergibt, selbst als ein Werk im Sinne von Art. 2 lit. a) der InfoSoc-Richtlinie angesehen werden kann.

Hintergrund des Ausgangsverfahrens ist ein Rechtsstreit zwischen dem Rumänischen Institut für Literaturgeschichte und -theorie sowie der Rumänischen Nationalen Stiftung für Wissenschaft und Kunst einerseits und den Erben von Professor Dan Slusanschi andererseits. Dan Slusanschi hatte die in Rede stehende kritische Ausgabe eines gemeinfrei gewordenen Werks verfasst. Im Jahr 2015 gab die Nationale Stiftung für Wissenschaft und Kunst dann ein Buch heraus, das angeblich die kritische Ausgabe von Slusanschi enthielt. Daraufhin erhoben die Erben von Dan Slusanschi Klage wegen Urheberrechtsverletzung.

Der Generalanwalt stellte zunächst fest, dass der unionsrechtliche Werkbegriff sowohl Primär- als auch Sekundärwerke, also abgeleitete Werke, die auf Grundlage bereits bestehender Werke geschaffen wurden, erfasse. Voraussetzung ist, dass der betreffende Gegenstand hinreichend originell ist, sprich die Persönlichkeit der Urheber*in widerspiegelt, indem er ihre freien kreativen Entscheidungen zum Ausdruck bringt.

Dies könne bereits dann der Fall sein, so der Generalanwalt, wenn »ein Urheber versucht, ein unvollständiges literarisches Werk in einer Form wiederzugeben, die seiner Meinung nach der vom Urheber des Originalwerks erarbeiteten Form so nahe wie möglich kommt.« Nutzt die Urheber*in einer kritischen Ausgabe nicht nur ihr fachliches Wissen, sondern auch ihre eigene Vorstellungskraft und Sensibilität, um »unter Beachtung einer getreuen Widergabe des Geists des Originalwerks verlorene oder unverständliche Elemente zu rekonstruieren«, so erbringt sie nach Ansicht des Generalanwalts eine schöpferische Leistung. In diesem Fall könne nicht mehr nur von einer reinen Forschungsarbeit ausgegangen werden. 

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[IUM/fh]

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