Studie: Internet-Angebote nicht Gefahr, sondern Chance für Musikindustrie
Die Verbreitung von Musik über das Internet ist nicht die Ursache der Umsatzeinbrüche in der Musikindustrie, sondern im Gegenteil eine Chance auf bessere Absatzzahlen und höhere Gewinne. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung von Forrester Research, die das US-amerikanische Beratungsunternehmen am 13.8.2002 der Öffentlichkeit vorstellte. Nach den Verfassern der Studie könnte die Musikindustrie schon im Jahr 2007 über das Internet 2,1 Milliarden US-Dollar (etwa 2,15 Milliarden Euro) und damit ein Sechstel ihres Umsatzes machen. Voraussetzung dafür ist nach Auffassung von Forrester Research allerdings, dass die Plattenfirmen den Verbrauchern attraktive Nutzungsbedingungen bieten. Zum einen müssten die Internetangebote Musik von verschiedenen Musikverlegern und nicht nur von einem einzelnen Unternehmen anbieten. Außerdem müssten Verbraucher die Möglichkeit haben, auch nur einzelne Lieder oder Alben eines Künstlers herunterzuladen ("Pay-per-Song" beziehungsweise "Pay-per-Album"). Der Zwang zum Abschluss umfangreicher Abonnements werde Kunden eher abschrecken, warnt Forrester Research. Für entscheidend hält es die Unternehmensberatung außerdem, dass die Rechteinhaber das "Brennen" einzelner Musikstücke auf Musik-CDs und die Nutzung heruntergeladener Dateien auf tragbaren Geräten wie Handys, MP3-Spielern oder Notebooks erlauben.
Forrester Research-Analyst Josh Bernoff erklärte bei Vorlage des Berichts, die Zeiten für die Musikindustrie seien unbestrittenermaßen hart. Der Umsatzeinbruch von etwa 15 Prozent, der in den vergangenen zwei Jahren auf dem US-amerikanischen Musikmarkt zu verzeichnen gewesen sei, sei aber nicht Folge der wachsenden Online-Piraterie gewesen. Bernoff verwies auf eine Umfrage unter 1000 Internet-Nutzern, die Forrester Research durchgeführt habe. Danach habe kein Zusammenhang zwischen der Nutzung digitaler Musik und abnehmender Kaufbereitschaft von Musik-CDs hergestellt werden können. Wahrscheinlicher sei, dass für die Kaufzurückhaltung andere Gründe ursächlich seien, darunter die allgemein schlechte gesamtwirtschaftliche Lage und die Konkurrenz durch Videospiele und DVDs. Bernoff meinte, entscheidend sei nun, dass die Musikindustrie der gestiegene Erwartungshaltung der Verbraucher Rechnung trage. Bei den von den Plattenfirmen bereits betriebenen Angeboten wie pressplay, MusicNet, FullAudio und EMusic sei das bisher nicht der Fall, bedauerte der Analyst.
In Deutschland ist der Umsatz mit Musik-CDs, LPs und Musikkassetten im Jahr 2001 um 10,2 Prozent von 2,490 auf 2,235 Milliarden Euro eingebrochen. Die Verbände der deutschen Musikindustrie machen dafür vor allem das illegale Herunterladen von Musik aus Internetangeboten wie der umstrittene Musiktauschbörse Napster und das massenhafte Kopieren von Musik-CDs durch die Verbraucher verantwortlich. Der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft (Bundesverband Phono) wies Mitte März 2002 auf eine Untersuchung der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hin, nach der im Vorjahr 17,1 Millionen Verbraucher Musik auf 182 Millionen CD-Rohlinge gebrannt hätten. Das sei mehr gewesen als die 173 Millionen CD-Alben, die 2001 über den Ladentisch gegangen seien. Der Zusammenhang von sinkenden Umsätzen einerseits und Musiktauschbörsen und selbstgebrannten Musik-CDs anderseits ist allerdings seit längerem umstritten. Das Institut für Demoskopie Allensbach kam bereits in einer im Januar 2002 vorgelegten Studie zu dem Schluss, das Herunterladen von Musik aus dem Internet sei möglicherweise sogar ein Kaufanreiz. Nach der "Allensbacher Computer- und Telekommunikationsanalyse" (ACTA) geben zwar 30 Prozent der Onlinenutzer an, heute weniger CDs als vor drei Jahren zu kaufen. Bei denjenigen, die bereits Musik aus dem Internet heruntergeladen haben, beträgt der Anteil sogar 37 Prozent. Auf der anderen Seite meinen 23 beziehungsweise 28 Prozent, dass sie heute eher mehr CDs kaufen als bisher.
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