Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sollen sich nur noch aus Gebühren finanzieren
Nach dem Willen der privaten Rundfunkanbieter in Deutschland sollen sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Zukunft nur noch aus Gebühren finanzieren. Wenn ARD und ZDF weiter auf dem Markt für Rundfunkwerbung "wilderten", drohe dem dualen Rundfunksystem angesichts drastisch gesunkener Werbeerlöse der Privatsender eine tiefgreifende Strukturkrise, warnte am 26.9.2002 der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT). Verbandspräsident Jürgen Doetz erklärte, schon jetzt seien für die privaten Rundfunkunternehmen erhebliche Wettbewerbsnachteile beim Erwerb von Senderechten und bei der Vergabe von Produktionsaufträgen absehbar. Außerdem forderte Doetz, der Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müsse klar geregelt und ihre Geschäftstätigkeit stärker als bisher offengelegt werden. Für den Fall, dass faire Rahmenbedingungen nicht im Konsens zu erreichen seien, drohte der VPRT-Präsident mit rechtlichen Schritten. Denkbar sei beispielsweise eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission (Kommission), um gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der EU-Transparenzrichtlinie in Gang zu setzen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat nach Angaben des VPRT im Jahr 2001 neben rund 6,5 Milliarden Euro Rundfunkgebühren zusätzlich etwa 360 Millionen Euro aus Rundfunkwerbung eingenommen. Dem seien im gleichen Jahr nur etwa 4,8 Milliarden Euro Werbeerlöse der Privatsender gegenüber gestanden, die im Gegensatz zum Gebührenaufkommen außerdem in hohem Maße konjunkturabhängig seien. Dazu kämen erhebliche Wettbewerbsvorteile für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch eine günstigere Besteuerung der Werbeeinnahmen. Doetz meinte, die laufende Diskussion über Steuernachforderungen der Finanzbehörden gegenüber ARD und ZDF sei auch deshalb spannend, weil durchaus vertretbar sei, dass auch die derzeit gültigen günstigeren Steuersätze für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine unberechtigte Beihilfe darstellen könnten. Der VPRT-Präsident verwies in diesem Zusammenhang außerdem darauf, dass die Werbetöchter der ARD "Kosten" für die Produktion von Werberahmenprogramme erstattet hätten, obwohl der ARD dafür überhaupt keine Kosten entstanden seien. Auch dadurch seien dem Fiskus erhebliche Steuereinnahmen verloren gegangen.
Der Vorstoß des VPRT kommt nur wenige Tage, nachdem die privaten Film- und Fernsehproduzenten angekündigt haben, die Produktionsgesellschaften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verstärkt unter die Lupe zu nehmen. Nach dem Willen der Interessengemeinschaft Filmproduktion film20 (film20) soll vor allem geklärt werden, welche Grenzen deutsches und europäisches Recht der Tätigkeit der Tochterunternehmen von ARD und ZDF setzen. Das gelte insbesondere für die Frage, in welchem Umfang die Rundfunkanstalten ihre Beziehungen zu ihren privatrechtlich organisierten Produktionstöchtern offenlegen müssten. Auch film20 beruft sich in diesem Zusammenhang auf die EU-Transparenzrichtlinie, die nach Auffassung des Verbands auch für ARD und ZDF gelten muss. Wie die Privatsender befürchten auch die privaten Film- und Fernsehproduzenten eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Grundlagen durch versteckte Wettbewerbsvorteile der gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
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