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30.09.2002; 18:14 Uhr
US-Musikindustrie wirft Kazaa milliardenfache Urheberrechtsverletzungen vor
RIAA setzt auf Stärkung des Unrechtsbewusstseins, Aufbau rechtmäßiger Angebote, Strafverfolgung und "Selbsthilfe"

Die US-Musikindustrie hat ihre Vorwürfe gegen die Musiktauschbörse Kazaa erneuert. Mit den von Kazaa verbreiteten Programmen würden jeden Monat etwa 2,6 Milliarden Dateien vervielfältigt, ohne dass ein einziger betroffener Urheber dafür entschädigt würde, meinte die Recording Industry Assocation of America (RIAA) am 26.9.2002 bei einer Anhörung des US-Repräsentantenhauses. Die Software zur Nutzung der Tauschbörse sei nach eigenen Angaben des Unternehmens weltweit bereits mehr als 120 Millionen mal heruntergeladen worden, beklagte die RIAA-Vorsitzende Hilary Rosen. Rosen gestand vor den Abgeordneten ein, dass auch die Musikindustrie kein Allheilmittel ("silver bullet") zur Beendigung der milliardenfachen Urheberrechtsverletzungen im Internet habe. Erfolgversprechend sei nur ein Vorgehen, das an vielen Stellen gleichzeitig ansetze. Zum einen müsse durch öffentliche Aufklärungsarbeit das Unrechtsbewußtsein gegenüber der Nutzung von Tauschbörsen gesteigert werden. Zum anderen müsse der Aufbau rechtmäßiger Angebote fortgesetzt werden, die den Wünschen der Verbraucher gerecht würden. Erforderlich sei es außerdem, weiter straf- und zivilrechtlich gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen. Schließlich müssten den Rechteinhabern technische Selbsthilfemaßnahmen erlaubt werden, um illegales Kopieren zu verhindern oder zu erschweren. Rosen verteidigte ausdrücklich einen entsprechenden Gesetzentwurf, den eine Gruppe von Abgeordneten unter Führung des Demokraten Howard Berman vor kurzem eingebracht hat.

Rosen verwies bei der Anhörung ausdrücklich auf die Bemühungen, die die Musikindustrie in den letzten beiden Jahren beim Aufbau rechtmäßiger Angebote im Internet unternommen habe. Mittlerweile gebe es im Internet zahlreiche Seiten, auf denen Musik legal zum Herunterladen angeboten würde. Bei einem weiteren Dutzend Angeboten könnten Musikstücke im Rahmen eines monatlichen Abonnements genutzt werden. Die RIAA-Vorsitzende gestand ein, dass die bestehenden rechtmäßigen Angebote "noch nicht perfekt" seien. Wenn man die Rechte der Urheber ernst nehme, brauche man Zeit, um Lizenzen auszuhandeln, um sichere Verschlüsselungs- und Rechteverwaltungssysteme zu entwickeln und um Wege zu entwickeln, um das gewaltige Repertoire der Musikverlage zu digitalisieren und zu organisieren. Das seien alles Hindernisse, mit denen sich die Betreiber illegaler Tauschbörsen nie hätten beschäftigen müssen. Vor diesem Hintergrund seien die drei Jahre wenig, die die Musikwirtschaft gebraucht hätte, um ein ganz Industrie umzukrempeln. Rosen betonte, dass Gegner der Plattenhersteller nicht die Peer-to-Peer-Technologie als solche sei. Diese Technik biete sowohl Rechteinhabern als auch Verbrauchern erstaunliche Möglichkeiten der Unterhaltung und des Austausches, die vorher nicht verfügbar gewesen seien. Es sei der Missbrauch der Technik, gegen den vorgegangen werden müsse.

Dankbar äußerte sich Rosen bei der Anhörung gegenüber den Vorschlägen des Abgeordneten Howard Berman, Rechteinhabern in engen Grenzen die Sabotage rechtswidriger Tauschbörsen im Internet zu erlauben. Wie wichtig ein entsprechendes Selbsthilferecht sei, habe sich erst vor wenigen Tagen gezeigt, als Kazaa angekündigt habe, seinen Nutzern das Aufspüren von "Datenmüll" zu erleichtern, mit denen die Musikindustrie versucht die Nutzung der Tauschbörsen zu sabotieren. Rosen bezeichnete es in diesem Zusammenhang als "ironisch", dass es den Tauschbörsenbetreibern offensichtlich ohne weiteres möglich sei, irreführend bezeichnete oder unvollständige Musikdateien herauszufiltern, während es angeblich unmöglich sei, mit entsprechenden Filtern Urheberrechtsverletzungen festzustellen. Mit Blick auf Bermans Gesetzentwurf meinte Rosen, es sei bedauerlich, dass sehr viel Falsches darüber berichtet worden sei. Teilweise sei der Eindruck erweckt worden, Plattenfirmen und Filmstudios wollten sich in die Rechner der Nutzer hacken und ganze Netzwerke zum Zusammenbrechen bringen. Entsprechende Berichte zeugten im besten Fall von Missverständnissen und im schlechtesten Fall von Versuchen, die wirklichen Probleme im Zusammenhang mit Peer-to-Peer-Netzwerken zu verschleiern. Viele der Maßnahmen die das Gesetz erlauben solle, seien bereits nach geltendem Recht zulässig.

Berman und eine Reihe weiterer Mitglieder des US-Repräsentantenhauses hatten ihren Entwurf eines Peer to Peer Piracy Prevention Act Ende Juli 2002 der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach dem Gesetzesvorschlag soll die Verwertungsindustrie die Verbreitung urheberrechtlich geschützten Materials über Tauschbörsen gezielt durch technische Maßnahmen unterbinden dürfen, ohne eine Strafverfolgung oder Schadensersatzklagen befürchten zu müssen. Wer vom Vorgehen beeinträchtigt wird, ohne tatsächlich an Urheberrechtsverletzungen beteiligt gewesen zu sein, soll dadurch entstehende Schäden nur dann ersetzt bekommen, wenn sie einen Betrag von 250 US-Dollar übersteigen. Das Zerstören von Dateien erlaubt der Gesetzentwurf genauso wenig wie die gezielte Verbreitung von Computerviren über Tauschnetzwerke. Die Sabotageakte sollen nach dem Entwurf ohne Vorwarnung zulässig sein, müssen aber vorab dem US-Justizministerium mitgeteilt werden. Berman und seine Unterstützer wollen nach eigener Darstellung den Rechteinhabern nur die Selbsthilfe ermöglichen, die in anderen Bereichen selbstverständlich sei. Satellitenfirmen setzten regelmäßig technische Maßnahmen ein, um einen Diebstahl ihrer Signale zu verhindern. Auch Softwarehersteller nutzten seit langem Techniken, die ihre Programme unbrauchbar machten, wenn Lizenzbedingungen verletzt würden. Berman hatte allerdings eingeräumt, dass Selbsthilfemaßnahmen der Rechteinhaber nach geltendem Recht möglicherweise rechtswidrig seien. In Betracht komme vor allem ein Verstoß gegen den U.S. Computer Fraud and Abuse Act.

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