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24.08.2011; 18:17 Uhr
US-Gericht entscheidet zur Anwendung der »Safe Harbor«-Bestimmungen auf MP3tunes
Electronic Frontier Foundation: Große Auswirkungen auf Cloud Computing

Ein New Yorker Gericht hat am 22. August über die Klage einiger Musiklabels aus dem EMI-Konzern gegen den Musikschließfach-Anbieter MP3tunes entschieden. Dabei ging es um die Anwendung und Reichweite der »Safe-Harbor«-Bestimmungen des »Digital Copyright Millenium Act (DCMA)«. Die Musikunternehmen wollten eine Löschung ihrer sämtlichen von MP3tunes gespeicherten Songs erreichen, erteilten aber nur hinsichtlich 350 der gut 3700 streitgegenständlichen Aufnahmen und Kompositionen einen Hinweis nach Maßgabe des »DCMA«. Das Gericht wies die Klage hinsichtlich aller nicht identifizierten und gemeldeten Songs ab und bejahte die Störerhaftung der Klägerin daher nur hinsichtlich der Stücke, die Gegenstand eines »Notice and Takedown«-Verfahren waren. Hinsichtlich der restlichen Stücke könne sich die Beklagte auf die Haftungsbeschränkung des »DCMA«, die in 17 U.S.C. § 512 kodifiziert wurden, berufen.

Neben einem kostenlos erhältlichen Musikschließfach, das automatisch mit dem Dateibestand auf dem Rechner des Nutzers synchronisiert wird, bietet MP3tunes mit »Sideload« (als Browser-Plugin erhältlich) die Möglichkeit, frei zugängliche Musikdateien zu suchen und im Benutzer-Account abzuspeichern. Der Index dieses Angebotes wächst mit der Intensität der Nutzung von »Sideload«. MP3tunes speichert die Bezugsquellen ab und kann daher verfolgen, ob Benutzer Anderen den Zugriff auf ihren Account ermöglichen. In der Regel fänden unberechtigte Uploads nicht statt. In 153 Fällen kam es jedoch wegen Missbrauchs zur Löschung der Benutzerkonten.

MP3tunes hat in den Augen von Richter Pauley die Grundvoraussetzung für die Anwendung von Haftungsbeschränkungen (»Safe Harbor«) erfüllt, die 17 U.S.C. § 512 (i) aufstellt: Provider müssen alle zumutbaren Schritte einleiten, um wiederholte Rechtsverletzungen zu unterbinden. Dies sei der Fall, wenn der Provider 1. ein System zur Löschung von rechtswidrigen Inhalten nach entsprechendem Hinweis bereithält, 2. Rechteinhaber nicht daran hindert, entsprechende Verletzungshinweise zu geben bzw. die Rechtsverletzer ausfindig zu machen und 3. bei wiederholter oder krasser Copyrightverletzung Nutzeraccounts löscht.

Nach § 512 (c) und (d), jeweils (1) - (3), kann ein Provider sich auf eine Haftungsbeschränkung berufen, wenn er keine Kenntnis von der Rechtsverletzung oder von konkreten Umständen, aus denen sich die Verletzung von Rechten ergibt, hat (»red flag«), keinen finanziellen Vorteil aus der von ihm kontrollierbaren rechtsverletzenden Handlung hat und - vom Berechtigten auf Rechtsverletzungen hingewiesen - sofort und vollständig den verletzenden Inhalt löscht. Diese Voraussetzungen gelten sowohl für Daten, die auf dem Server eines Providers gespeichert sind ((c) gilt demnach für das virtuelle Schließfach »MP3tunes«) als auch für Suchmaschinen ((d) gilt demnach für »Sideload«). Da sie durch die »Notice and Takedown«-Verfahren von konkreten Rechtsverletzungen Kenntnis hatte, musste die Beklagte nicht nur die Links in »Sideload«, sondern auch die Dateien in den Nutzeraccounts löschen, welche von den Klägern als rechtsverletzend identifiziert worden waren. Auf Datenschutzbestimmungen könne sie sich aufgrund des deutlichen Wortlauts des »DCMA« nicht berufen.

Hinsichtlich des restlichen EMI-Repertoires liegen hingegen nach den Ausführungen des New Yorker Gerichts alle drei genannten »Safe Harbor«-Voraussetzungen aus § 512 (c) und (d) vor. Mangels einer den formellen Anforderungen von § 512 (c) (3) genügenden Benachrichtigung habe die Beklagte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Rechtsverletzungen. Der DMCA verpflichte Provider nicht dazu, zu ermitteln, ob Inhalte eines Angebotes rechtswidrig sind. Eine genereller Verdacht der Rechtswidrigkeit reiche jedenfalls nicht aus, um eine Löschungsverpflichtung nach § 512 zu begründen. Die Beklagte ziehe ebenfalls keinen finanziellen Vorteil aus Rechtsverletzungen. Denn zwischen Rechtsverletzungen und Umsatz bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang. Illegale Handlungen fänden unabhängig davon statt, ob Nutzer einen kostenlosen Account verwenden oder für einen Premium-Account zahlen. Provider eines als legales Angebot ausgelegten Musikschließfaches hätten auch keine Kontrolle über die rechtsverletzenden Handlungen ihrer Nutzer, da diese selbst entschieden, welche URL sie in »Sideload« verwenden. Die grundsätzliche Möglichkeit, ein Angebot auch zu rechtswidrigen Handlungen zu verwenden, lässt das Gericht nicht gelten. »Sonst wären sogar Suchmaschinen wie Google oder Yahoo! nicht vom DCMA geschützt«.

Die Electronic Frontier Foundation bettet die Entscheidung in den Kontext der aktuell gestarteten »Cloud Computing«-Services von Amazon, Google und Apple ein. Die ersten beiden Firmen hätten jedem Song ihrer Nutzer eine Kopie auf ihren Servern zugeordnet, damit eine eindeutige Zuordnung im Problemfall möglich ist. Aus informationstechnischer Sicht sei eine Deduplizierung wesentlich sinnvoller. Dabei wird nur eine Kopie auf dem Server hinterlegt, wenn ein Song von mehreren Nutzern in die Cloud geladen wird. Diese speichersparende Möglichkeit nutzt auch MP3tunes. Das aktuelle Urteil habe bestätigt, dass die Deduplizierung legal ist und damit eine wichtige rechtliche Frage auch von »Cloud Computing«-Angeboten gelöst.

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