Experten kritisieren Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen
Im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages fand am 27. Mai 2009 eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen statt. Durch Änderungen des Telemedien- und des Telekommunikationsgesetzes sollen Internetprovider verpflichtet werden, den Zugriff auf Internetseiten nach einer beim BKA geführten Liste zu verhindern (vgl. Meldung vom 22. April 2009). In der Anhörung äußerten die geladenen Experten insbesondere datenschutzrechtliche Bedenken. So wies Prof. Dr. Ulrich Sieber vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht auf die Speicherung personenbezogener Daten hin, die im Zuge der Blockierung von Internetseiten möglich werde. Ein Verwendungszweck dieser Daten werde aus dem Gesetzentwurf nicht klar. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung dieser Daten, da auch Internetnutzer erfasst würden, die unabsichtlich auf Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten geleitet werden. Ähnliche Bedenken äußerte auch der Vertreter des Verbandes der Deutschen Internetwirtschaft e.v (eco), Oliver Süme, der in der Datenspeicherung eine Gefahr für unbescholtene Bürger sieht, in Ermittlungsverfahren verwickelt zu werden.
Einigkeit bestand unter den Experten hinsichtlich des Vorgehens im Kampf gegen Kinderpornographie im Internet. Ziel müsse es sein, gegen Anbieter von Inhalten und hilfsweise gegen die Betreiber der Internetserver vorzugehen. Erst dann sollte über eine Zugangserschwerung der Nutzer nachgedacht werden, so Dr. Dieter Frey. Prof. Dr. Matthas Bäcker von der Universität Mannheim äußerte zudem verfassungsrechtliche Bedenken. Aus seiner Sicht besitze der Bund keine Gesetzgebungskompetenz für das geplante Gesetz. Gleichzeitig sei auch das Bundeskriminalamt nicht ermächtigt, wie geplant, die Sperrliste zu führen. Dem widersprach der Direktor des BKA, Jürgen Mauer. Das Bundeskriminalamt sei in der Lage, kinderpornographische Inhalte zu erkennen und relevante Informationen zu bündeln; er begrüße es daher, dass die Sperrliste der zu blockierenden Internetseiten beim BKA geführt werden soll.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries verteidigte unterdessen das geplante Gesetz. Aus ihrer Sicht sei auch angemessen, den Strafverfolgungsbehörden Daten über Zugriffe auf blockierte Internetseiten zukommen zu lassen, so die Ministerin in einem Interview der »Frankfurter Rundschau«. Das folge bereits aus der Strafbarkeit des Versuch, sich kinderpornographische Schriften zu beschaffen. Die Weitergabe der Daten an Strafverfolger müsse jedoch dem Erfordernis eines richterlichen Beschlusses unterliegen.
Seitens der SPD-Bundestagsfraktion kündigte man im Anschluss an die Anhörung des Wirtschaftsausschusses bereits Nachbesserungen des Gesetzentwurfs an. In einer Pressemitteilung hielten der stellvertretende wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Dörmann, und die Sprecherin der Arbeitsgruppe für Kultur und Medien, Monika Griefahn, fest, dass auch in der Expertenanhörung keine grundsätzlichen Bedenken gegen Internetsperren vorgetragen worden seien. Gleichzeitig seien jedoch inhaltliche und rechtliche Fragen aufgeworfen worden, die einer Klärung bedürfen. Dies seien insbesondere die Forderungen nach einer spezialgesetzlichen Regelung anstelle von Änderungen des TMG und des TKG sowie nach einer gerichtlichen Überprüfbarkeit der BKA-Sperrliste. Auch die Weitergabe der Daten an Strafverfolgungsbehörden müsse im Laufe des paralamentarischen Verfahrens eingehend erörtert werden. Einig sei sich die SPD-Fraktion jedoch mit den Experten in dem Punkt, dass eine Ausweitung der Internetsperren auf andere Straftatbestände nicht erfolgen dürfe.
Dokumente:
- Pressemitteilung Bundestag vom 28. Mai 2009
- Interview Frankfurter Rundschau vom 28. Mai 2009
- Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion vom 28. Mai 2009
Institutionen:
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