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B e g r ü n d u n g

A. Allgemeines

Dieser Gesetzentwurf beschränkt sich auf die innerstaatliche Umsetzung der Richtlinie des Rates der EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen. Inwieweit darüber hinaus aktueller Bedarf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes besteht, wird derzeit innerhalb der Bundesregierung gesondert geprüft.

1. Die Frage, in welchem rechtlichen Rahmen das geistige Eigentum an Computerprogrammen zu schützen ist, ist in den letzten Jahrzehnten weltweit intensiv diskutiert worden. In den USA zeichnete sich frühzeitig eine Tendenz zur Gewährung von Urheberrechtsschutz ab. Bereits im Jahre 1964 registrierte das US Copyright Office drei Computerprogramme und erkannte so an, daß diese Gegenstand urheberrechtlichen Schutzes sein können. Seit 1980 sind Computerprogramme im US Copyright Art erwähnt. In der Folgezeit haben sich weltweit die Bestrebungen, für Computerprogramme Rechtsschutz im Rahmen des Urheberrechts bereitzustellen, verstärkt. Die Alternative eines Sonderrechtsschutzes - diese Möglichkeit ließen die Mustervorschriften der Weltorganisation für geistiges Eigentum von 1977, abgedruckt in GRUR Int. 1978, 286, offen - hat sich demgegenüber nicht durchsetzen können.

In der Bundesrepublik Deutschland sind in Übereinstimmung mit der internationalen Entwicklung seit der Urheberrechtsnovelle 1985 Computerprogramme ausdrücklich urheberrechtlich geschützt. Auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages wurden Programme für die Datenverarbeitung in den Katalog der geschützten Werke des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG aufgenommen. Der Rechtsausschuß hat diese Gesetzesänderung wie folgt begründet (BT-Drucksache 10/3360 S. 18):

"Die ausdrückliche Aufnahme von Programmen der Datenverarbeitung in den Katalog der geschützten Werke des § 2 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) hat nur klarstellende Bedeutung und entspricht der inzwischen gefestigten Rechtsprechung. Da solchen Programmen eine zunehmende Bedeutung zukommt, sollten sie eine ausdrückliche Erwähnung im Gesetzestext finden. Auch hier greift der Schutz nur ein, wenn die in § 2 Abs. 2 UrhG verlangte schöpferische Leistung vorliegt. Gegenstand des Schutzes ist im übrigen nicht die mathematische oder technische Idee, sondern ihre Verkörperung in dem aufgezeichneten Programm.

Die Urheberrechtsnovelle 1985 ist Ende Juni 1985 in Kraft getreten. Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 9. Mai 1985 – 1 ZR 52/83 – mit der Frage des Urheberrechtsschutzes von Computerprogrammen auseinandergesetzt (BGHZ 94, 276 ff. "Inkasso-Programm"). Er hat Computerprogramme als grundsätzlich urheberrechtsschutzfähig angesehen. Computerprogramme und ihre Vorstufen könnten auch grundsätzlich die für die Urheberrechtsschutzfähigkeit nach § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche persönliche geistige Schöpfung aufweisen. Der Bundesgerichtshof hat hierfür jedoch sehr hohe Anforderungen aufgestellt. Er ist bei der Frage, wann ein Programm und seine Vorstufen einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG erreichen, von den bekannten Programmen und den Arbeitsergebnissen der einzelnen Entwicklungsstufen, ihren jeweils bekannten und üblichen Anordnungen, Systemen, Aufbau- und Einteilungsprinzipien ausgegangen. Alle in deren Nähe bleibenden Gestaltungsformen besäßen keinen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad; auch die bloß mechanisch-technische Fortführung und Entwicklung des Vorbekannten bleibe in diesem Bereich. Ließen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so seien diese dem Schaffen eines Durchschnittsprogrammierers gegenüberzustellen. Das Können eines Durchschnittsgestalters, das rein Handwerksmäßige, die mechanisch-technische Aneinanderreihung und Zusammenfügung des Materials liege außerhalb jeder Schutzfähigkeit. Erst in einem erheblich weiteren Abstand beginne die untere Grenze der Urheberrechtsschutzfähigkeit, die ein deutliches Überragen der Gestaltungstätigkeit in Auswahl, Sammlung, Anordnung und Einteilung der Informationen und Anweisungen gegenüber dem allgemeinen Durchschnittskönnen voraussetze. Eine individuelle Eigenheit könne auch durch die Be-, Um- und Einarbeitung vorbekannter Elemente und Formen erzielt werden (BGHZ 94, 276, 286f.).

Diese Entscheidung hat zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit in der Frage geführt, ob ein Computerprogramm im Einzelfall Urheberrechtsschutz genießt. Sie veranlaßte die Bundesregierung in ihrem Bericht über die Auswirkungen der Urheberrechtsnovelle 1985 und Fragen des Urheber- und Leistungsschutzrechts vom 7. Juli 1989 (BT-Drucksache 11/4929 S. 43) zu der Stellungnahme, es sei nicht zu übersehen, daß der überwiegende Teil von Anwendungsprogrammen in der Praxis schutzlos sei oder der Schutz nicht durchgesetzt werden könne. Bei systemnahen Programmen sowie speziell gefertigten Programmen für Großanlagen vertrat die Bundesregierurg die Auffassung, daß diese Programme in der Regel als Werke im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG eingestuft werden könnten.

Die restriktive Tendenz der "Inkasso-Programm"-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 4. Oktober 1990 - 1 ZR 139/89 - (CR 1991, 80 = GRUR 1991, 449 = ZUM 1991 246 "Betriebssystem") im wesentlichen bestätigt und in dieser Entscheidung ausdrücklich auf die Ausführungen in BGHZ 94, 276, 285 Bezug genommen. Das der "Betriebssystem"-Entscheidung zugrundeliegende Verfahren belegt, weshalb der vom Bundesgerichtshof zugebilligte Urheberrechtsschutz in der Praxis nur schwer handhabbar ist und nicht greifen konnte: Nach jahrelanger Prozeßdauer durch drei Instanzen stand die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines anspruchsvollen Betriebssystems noch nicht fest. Der Bundesgerichtshof hat die Sache zur weiteren Aufklärung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, das ein Sachverständigengutachten einholen sollte, um die Frage der Werkqualität des streitgegenständlichen Computerprogramms zu klären.

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist frühzeitig zu dem Schluß gekommen, daß eine Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ein notwendiger Schritt im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes sei. In ihrem Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarktes (Dokument KOM [85] 310 endg. 149) hatte sie die Vorlage eines Richtlinienvorschlages über den Rechtsschutz von Computerprogrammen vor Ende 1987 zugesagt, diesen aber vorläufig zurückgestellt. In ihrem Grünbuch über Urheberrecht und die technologische Herausforderung - Urheberrechtsfragen, die sofortiges Handeln erfordern - Mitteilung der Kommission (KOM [88] 127 endg. vom 23. August 1988) - hat sie sich erneut mit Fragen des Rechtsschutzes von Computerprogrammen auseinandergesetzt und die Grundzüge eines von ihr vorgesehenen Richtlinienvorschlages dargelegt. Ziel der Kommission war, die Ungewißheit, ob das Urheberrecht auf Computerprogramme Anwendung finde, durch eine Richtlinie zu beseitigen, die Computerprogramme ausdrücklich dem Schutz des Urheberrechts unterstellt. Weiterhin sollten die unterschiedlichen Anforderungen, welche in den Mitgliedstaaten durch die Gerichte bei der Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften an die Schöpfungshöhe gestellt wurden, beseitigt werden. Nach den Vorstellungen der Kornmission sollten alle Programme geschützt werden, die nur in dem Sinn Originalität aufwiesen, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Arbeit ihres Schöpfers darstellten und in der Software-Industrie nicht alltäglich seien. Schließlich wollte die Kommission die Urheberrechtsregeln im Hinblick auf ihre Anwendung auf Computerprogramme inhaltlich präzisieren und so letzten Endes urheberrechtliche Schutzvorschriften an die Besonderheiten der Werkart Computerprogramme anpassen.

Aufgrund des Vorschlages der Kommission für eine Richtlinie des Rates über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. EG C 91/4 v. 12. April 1989) hat der Rat am 14. Mai 1991 die umzusetzende Richtlinie verabschiedet. Das nationale Recht ist bis zum 31. Dezember 1992 in Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie zu bringen (Artikel 10 Abs. 1). In Deutschland besteht Gesetzgebungsbedarf, obwohl § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG Computerprogrammen bereits Urheberrechtsschutz gewährt. Denn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Schöpfungshöhe steht offensichtlich nicht in Einklang mit der Zielsetzung der Richtlinie. Zwar ist in dieser Hinsicht eine Anpassung unseres Rechts an die Richtlinie auch im Wege der Rechtsprechung durchaus denkbar. Aber eine solche Fortentwicklung der Rechtsprechung erscheint aus heutiger Sicht nicht hinreichend gesichert, insbesondere nicht innerhalb der den Mitgliedstaaten gesetzten Frist zur Umsetzung. Die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland erfordert daher ein Tätigwerden des Gesetzgebers. Weiterhin ist in der Rechtsprechung bisher nicht in hinreichendem Maße geklärt, was die Anwendung der Vorschriften des UrhG auf Computerprogramme konkret bedeutet. Dies gilt z. B. für Fragen des Vervielfältigungsbegriffs. Schließlich enthält die Richtlinie auch Bestimmungen, für die es im deutschen Recht bisher keine entsprechenden Regelungen gibt, wie die Vorschrift des Artikels 6 über das Dekompilieren.

Inzwischen hat sich die zunächst auf einige Länder beschränkte Entwicklung, Computerprogramme vorrangig mit Mitteln des Urheberrechts zu schützen, weltweit weitgehend durchgesetzt. So sieht Artikel 10 Abs. 1 des im Dezember 1991 vorgelegten Entwurfs eines Abkommens über Handelsaspekte des Schutzes des geistigen Eigentums im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT ausdrücklich vor, daß auf Computerprogramme die für literarische Werke geltenden Vorschriften der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst in der Fassung der Revision von Paris vom 24. Juli 1971 (RBÜ) Anwendung finden. Damit soll auch einer Sonderbehandlung im Rahmen des Urheberrechts vorgebeugt und die Geltung des Grundsatzes der Inländerbehandlung (Artikel 5 Abs. 1 RBÜ) gewährleistet werden. Auch die Weltorganisation für geistiges Eigentum hat einem Ausschuß von Regierungssachverständigen, der sich mit der Ausarbeitung eines Protokolls zur RBÜ befaßt, Vorschläge vorgelegt, die klarstellen, daß Computerprogramme als literarische Werke im Sinne der RBÜ geschützt sind.

2. Der vorliegende Entwurf sieht aus folgenden Gründen die Einfügung eines neuen Abschnitts über Computerprogramme innerhalb des UrhG vor:

Auch wenn die Richtlinie gemeinschaftsweit Urheberrechtsschutz für Computerprogramme festlegt, so ist doch nicht zu verkennen, daß zwischen der neuen Werkart Computerprogramme und den traditionell durch das Urheberrecht geschützten Arten von Werken Unterschiede bestehen, die Sonderregelungen für Computerprogramme erfordern. Einer der wesentlichen Unterschiede ist, daß ein Computerprogramm als Industrieprodukt darauf angelegt ist, mit anderen Elementen eines Datenverarbeitungssystems zusammenzuarbeiten; es muß kompatibel sein. Weiterhin erschließt sich Dritten der Inhalt eines Computerprogramms nicht ohne weiteres. Ein Buch kann jeder lesen, einen Film jeder sehen, eine Schallplatte jeder hören, ein Kunstwerk jeder betrachten. Anhand des Datenträgers lassen sich Arbeitsweise und Funktion eines Programms nicht ohne weiteres ermitteln.

Die Umsetzung der Richtlinie bringt spezielle Bestimmungen ausschließlich für Computerprogramme mit sich. So wären Änderungen der § 16 (Vervielfältigungsrecht), § 17 (Verbreitungsrecht), § 23 (Bearbeitungen und Umgestaltungen). § 43 (Urheber in Arbeits- oder Dienstverhältnissen), §§ 45 ff. (Schranken des Urheberrechts) und 97ff. (Rechtsverletzungen) erforderlich.

Es erscheint zum einen geboten, diese Sonderregelungen im Interesse der Rechtsklarheit in einem einheitlichen Abschnitt zusammenzufassen. Die Rechtsanwendung wird so erleichtert. Der Rechtsanwender findet die wesentlichen Vorschriften über den Rechtsschutz von Computerprogrammen übersichtlich an einer Stelle im Gesetz. Die Alternative, das UrhG jeweils im Anschluß an die Regelungen zu ändern, die mit der Richtlinie nicht in Einklang stehen, würde dazu führen, daß diese Vorschriften sich verstreut an verschiedenen Stellen im Gesetz befänden.

Zum anderen sollen die Ausstrahlungen von Sonderregelungen für Computerprogramme auf das "klassische" Urheberrecht möglichst vermieden werden. Die urheberrechtliche Systematik soll nicht im Interesse einer Werkart geändert werden, die an der Grenze zwischen dem Urheberrecht traditioneller Art und anderen Rechtssystemen zum Schutz des geistigen Eigentums liegt.

Dem vorliegenden Entwurf liegt die Konzeption einer weitgehend wörtlichen Übernahme der Richtlinie zugrunde, auch wenn dies nicht in vollem Umfang dem Sprachgebrauch des UrhG entspricht. Damit soll eine möglichst EG-weite einheitliche Auslegung der Bestimmungen zum Rechtsschutz von Computerprogrammen gefördert werden. Bei §§ 69 a bis 69 e und 69 g handelt es sich der Sache nach um ein Stück europäisches Urheberrecht innerhalb des UrhG. Bei der Auslegung der neuen Vorschriften ist dieser Hintergrund zu berücksichtigen. Es ist zu erwarten, daß sich die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten wechselseitig beeinflussen wird.

Bei der Gewährung von Urheberrechtsschutz für Computerprogramme sind auch Fragen zu berücksichtigen, die in der Regel bei der Auslegung urheberrechtlicher Bestimmungen keine Rolle spielen. Das Ausmaß des Urheberrechtsschutzes für Computerprogramme hat für den Wettbewerb auf dem wirtschaftlich äußerst bedeutenden Computermarkt erhebliche Bedeutung. Wettbewerb auf dem Computermarkt setzt voraus, daß ein Datenverarbeitungssystem aus Komponenten verschiedener Hersteller zusammengestellt werden kann und diese Komponenten zusammenwirken können. Diese Frage wurde umfassend im Zuge der Beratungen der Richtlinie im Rat der EG und im Europäischen Parlament diskutiert, sie wird in der Begründung zu § 69 e näher erläutert. Sie hat unter anderem bei der Formulierung der Artikel 1 Abs. 2, Artikel 5 Abs. 3 und Artikel 6 der Richtlinie eine Rolle gespielt. Die Auslegung solcher Bestimmungen kann sich nach anderen Maßstäben richten als das historisch gewachsene deutsche Urheberrecht, insbesondere wegen der speziellen internationalen Zusammenhänge. Diese Probleme bestehen bei traditionell durch das Urheberrecht geschützten Werkarten nicht. Solche Vorschriften sollten daher zur Erleichterung der Rechtsanwendung an einer Stelle im Gesetz zusammengefaßt werden.

All dies macht die vorgeschlagene Schaffung eines gesonderten Abschnitts sinnvoll.

3. Das Gesetz verstärkt den bereits seit der Urheberrechtsreforrn 1985 bestehenden Urheberrechtsschutz für Computerprogramme durch die zusätzliche Klärung des Problems, daß auch einfache Computerprogramme urheberrechtlichen Schutz genießen. Damit trägt es dazu bei, die Verwendung von nicht vom Rechtsinhaber genehmigten Vervielfältigungsstücken weitergehend zu verhindern. Unternehmen, in denen dies bisher der Fall ist, werden für Computerprogramme in Zukunft höhere Mittel aufzuwenden haben als bisher für die Vervielfältigung. Die Zurückdrängung der Verwendung von nicht vom Rechtsinhaber genehmigten Vervielfältigungsstücken läßt andererseits erwarten, daß sich die Zahl der verkauften oder ordnungsgemäß lizenzierten Computerprogramme erhöht. Es kann sein, daß der höhere Absatz der Programmanbieter zu Preissenkungen führt, da sie niedrigere Stückkosten haben und dies im Wettbewerb untereinander an die Abnehmer weitergeben. Wie sich dies auf Einzelpreise, das Preisniveau und insbesondere das Verbraucherpreisniveau auswirkt, läßt sich nicht abschätzen.

 s. Begründung, Teil B. Zu den einzelnen Vorschriften

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