Deutscher Bundestag, 12.Wahlperiode
Drucksache 12/4022, 18.12.92
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes
S. Zweites Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes, Bgbl. I S. 902
A. Zielsetzung
Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. EG Nr. L 122 S. 42).
B. Lösung
Der Entwurf sieht zur inhaltlichen Präzisierung des im Urheberrechtsgesetz bereits verwirklichten Urheberrechtsschutzes von Computerprogrammen entsprechend den EG-Vorgaben die Einfügung eines zusätzlichen Achten Abschnitts "Besondere Bestimmungen für Computerprogramme" im Ersten Teil des Urheberrechtsgesetzes vor. Die wesentlichen normativen Vorschriften der Richtlinie werden unter weitgehender Anlehnung an Wortlaut und Systematik der Richtlinie übernommen. Ferner ist ein Vernichtungsanspruch betreffend rechtswidrige Vervielfältigungsstücke von Computerprogrammen und sog. Kopierschutzmechanismen vorgesehen (von Gegenständen, die allein dazu bestimmt sind, die unerlaubte Beseitigung oder Umgehung technischer Programmschutzmechanismen zu erleichtern).
C. Alternativen
Keine. Richtlinien des Rates der EG verpflichten die Mitgliedstaaten zur Umsetzung.
D. Kosten
Das Gesetz wird sich auf den Bundeshaushalt, die Haushalte der Länder und der Gemeinden nicht auswirken. Einfluß auf Einzelpreise und das Preisniveau sind nicht zu erwarten. Es wird zwar geltend gemacht, daß der bestehende Urheberrechtsschutz für Computerprogramme unzureichend ist und in erheblichem Maße die Verwendung von Raubkopien ermöglicht. Dies wird das Gesetz in Zukunft verhindern. Beteiligung der öffentlichen Hand an diesen Praktiken ist nicht ersichtlich. Die Haushalte werden daher nicht beeinflußt. Konkrete Angaben, in welchem Ausmaß in Zukunft das Gesetz die Verwendung von Raubkopien verhindert, sind nicht möglich. Es ist nicht zu erwarten, daß sich dies meßbar auf Einzelpreise und das Preisniveau auswirkt. Im übrigen entspricht die Gewährung von effektivem Urheberrechtsschutz für Computerprogramme schon dem Willen des Gesetzgebers im Zuge der Urheberrechtsreform 1985.
Bundesrepublik Deutschland
Der Bundeskanzler
Bonn, den 18. Dezember 1992 021 (131) - 420 00 - Ur 4/92
An den Präsidenten des Deutschen Bundestages
Hiermit übersende ich den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes mit Begründung (Anlage 1) und Vorblatt. Ich bitte, die Beschlußfassung des Deutschen Bundestages herbeizuführen. Federführend ist der Bundesminister der Justiz. Der Bundesrat hat in seiner 648. Sitzung am 6. November 1992 gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes beschlossen, zu dem Gesetzentwurf, wie aus Anlage 2 ersichtlich, Stellung zu nehmen. Die Auffassung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates ist in der als Anlage 3 beigefügten Gegenäußerung dargelegt.
Kohl
Anlage 1
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes
(Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABI. EG Nr. L 122 S. 42).) Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Das Urheberrechtsgesetz vom 9, September 1965 (BGBL 1 S. 1273), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 7. März 1990 (BGBl. I S. 422), wird wie folgt geändert:
1. § 2 Abs. 1 Nr. 1 wird wie folgt gefaßt:
"l. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;"
2. § 53 Abs. 4 Satz 2 wird aufgehoben.
3. Nach § 69 wird folgender Abschnitt eingefügt:
"Achter Abschnitt
Besondere Bestimmungen für Computerprogramme
§ 69 a
Gegenstand des Schutzes
(1) Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.
(2) Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt.
(3) Computerprogramme werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden.
(4) Auf Computerprogramme finden die für Sprachwerke geltenden Bestimmungen Anwendung, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist.
§ 69 b
Urheber in Arbeits- und Dienstverhältnissen
(1) Wird ein Computerprogramm von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen, so ist ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt, sofern nichts anderes vereinbart ist.
(2) Absatz 1 ist auf Dienstverhältnisse entsprechend anzuwenden.
§ 69 c
Zustimmungsbedürftige Handlungen
Der Rechtsinhaber hat das ausschließliche Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten: 1. Die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung, ganz oder teilweise, eines Computerprogramms mit jedem Mittel und in jeder Form. Soweit das Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms eine Vervielfältigung erfordert, bedürfen diese Handlungen der Zustimmung des Rechtsinhabers;
2. die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse. Die Rechte derjenigen, die das Programm bearbeiten, bleiben unberührt;
3. jede Form der Verbreitung des Originals eines Computerprogramms oder von Vervielfältigungsstücken, einschließlich der Vermietung. Wird ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der Europäischen Gemeinschaften * im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht, so erschöpft sich das Verbreitungsrecht in bezug auf dieses Vervielfältigungsstück mit Ausnahme des Vermietrechts.
* Tritt das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 vor Verabschiedung dieses Entwurfs in Kraft, so werden hier die Wörter oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzufügen sein.
§ 69 d
Ausnahmen von den zustimmungsbedürftigen Handlungen
(1) Soweit keine besonderen vertraglichen Bestimmungen vorliegen, bedürfen die in § 69 c Nr. 1 und 2 genannten Handlungen nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung durch jeden zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks des Programms Berechtigten notwendig sind.
(2) Die Erstellung einer Sicherungskopie durch eine Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist, darf nicht vertraglich untersagt werden, wenn sie für die Sicherung künftiger Benutzung erforderlich ist.
(3) Der zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks eines Programms Berechtigte kann ohne Zustimmung des Rechtsinhabers das Funktionieren dieses Programms beobachten, untersuchen oder testen, um die einem Programmelement zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln, wenn dies durch Handlungen zum Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Programms geschieht, zu denen er berechtigt ist.
§ 69 e
Dekompilierung
(1) Die Zustimmung des Rechtsinhabers ist nicht erforderlich, wenn die Vervielfältigung des Codes oder die Übersetzung der Codeform im Sinne des § 69 c Nr. 1 und 2 unerläßlich ist, um die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:
1. Die Handlungen werden von dem Lizenznehmer oder von einer anderen zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks des Programms berechtigten Person oder in deren Namen von einer hierzu ermächtigten Person vorgenommen;
2. die für die Herstellung der Interoperabilität notwendigen Informationen sind für die in Nummer 1 genannten Personen noch nicht ohne weiteres zugänglich gemacht;
3. die Handlungen beschränken sich auf die Teile des ursprünglichen Programms, die zur Herstellung der Interoperabilität notwendig sind.
(2) Bei Handlungen nach Absatz 1 gewonnene Informationen dürfen nicht
1. zu anderen Zwecken als zur Herstellung der Interoperabilität des unabhängig geschaffenen Programms verwendet werden,
2. an Dritte weitergegeben werden, es sei denn, daß dies für die Interoperabilität des unabhängig geschaffenen Programms notwendig ist,
3. für die Entwicklung, Herstellung oder Vermarktung eines Programms mit im wesentlichen ähnlicher Ausdrucksform oder für irgendwelche anderen das Urheberrecht verletzenden Handlungen verwendet werden.
(3) Die Absätze 1 und 2 sind so auszulegen, daß ihre Anwendung weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt noch die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers unzumutbar verletzt.
§ 69 f
Rechtsverletzungen
(1) Der Rechtsinhaber kann von dem Eigentümer oder Besitzer verlangen, daß alle rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke vernichtet werden, § 98 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Absatz 1 ist entsprechend auf Mittel anzuwenden, die allein dazu bestimmt sind, die unerlaubte Beseitigung oder Umgehung technischer Programmschutzmechanismen zu erleichtern.
§ 69 g
Anwendung sonstiger Rechtsvorschnften; Vertragsrecht
(1) Die Bestimmungen dieses Abschnitts lassen die Anwendung sonstiger Rechtsvorschriften auf Computerprogramme, insbesondere über den Schutz von Erfindungen, Topographien von Halbleitererzeugnissen, Warenzeichen und den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb einschließlich des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, sowie schuldrechtliche Vereinbarungen unberührt.
(2) Vertragliche Bestimmungen, die in Widerspruch zu § 69 d Abs. 2 und 3 und § 69 e stehen, sind nichtig."
4. Nach § 137 c wird folgender § 137 d eingefügt:
"§ 137 d
Computerprogramme
Die Vorschriften des Achten Abschnitts des Ersten Teils sind auch auf Computerprogramme anzuwenden, die vor dem [Einsetzen: Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes] geschaffen worden sind. § 69 g Abs. 2 ist auch auf Verträge anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind."
Artikel 2
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
s. Begründung, Teil A. Allgemeines
s. Begründung, Teil B. Zu den einzelnen Vorschriften
s. Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates
s. Anlage 3, Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates