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27.09.2006; 11:59 Uhr
BVerfG: Erben können vermögenswerte Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts geltend machen
Rechtsfortbildung entspricht verfassungsrechtlichen Grundsätzen zur Bindung der Gerichte gem. Art. 20 Abs. 3 GG

Die rechtsfortbildende Rechtsprechung zur Vererblichkeit vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts verstößt nicht gegen die Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz. Dies entschied die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfasssungsgerichts (BVerfG) am 22.8.2006 durch Beschluss (Az. 1 BvR 1168/04 - Veröffentlichung in der ZUM folgt).

Die Tochter und Alleinerbin von Marlene Dietrich hatte durch eine von ihr und ihrem Sohn gegründete Verwertungsgesellschaft die Beschwerdeführerin auf Zahlung einer angemessenen Lizenzvergütung verklagt. Letztere vertreibt Fotokopiergeräte und hatte für eine Werbeanzeige unter der Überschrift »Vom Blauen Engel schwärmen, genügt uns nicht« eine Fotografie verwendet, auf der eine bekannte Szene aus dem Film »Der blaue Engel« mit Marlene Dietrich nachgestellt worden war. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in letzter Instanz einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts bejaht, den geltend zu machen auch der Erbe befugt sei. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts aus Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 3 GG, da ihrer Ansicht nach in unzulässiger Weise gesetzeskorrigierend entschieden worden sei.

Dieser Auffassung folgte das BVerfG nicht und nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die verfassungsrechtlichen Grenzen zur fachrichterlichen Rechtsfortbildung seien eingehalten worden. Zwar bestünden keine verpflichtenden Vorgaben der Verfassung zur Einräumung eines Schutzes der kommerziellen Ausbeutung des postmortalen Persönlichkeitsrechts, jedoch stehe dem das Grundgesetz auch nicht entgegen. So sei die Anerkennung der Möglichkeit zur Kommerzialisierung des Rechts am Bild als Rechtsfortbildung zulässig, da angesichts verbesserter technischer Mittel und der gesteigerten Bedeutung der Medien die Möglichkeit, Bestandteile der Persönlichkeit zu kommerzialisieren, an Vielfalt, Ausmaß und Intensität zugenommen habe. Auch widerspreche die Annahme des Übergangs eines solchen Rechts nach dem Tod des Rechtsträgers auf seine Erben nicht § 22 Satz 3 KUG. Mit der Regelung, dass das Recht zur Einwilligung in die Verwendung des Bildes postmortal den Angehörigen des Abgebildeten zusteht, sei nach Wortlaut, Systematik und Sinn nicht abschließend bestimmt, wer einen Vermögenswert aus der Verwertung des Bildes geltend machen könne. Nicht geklärt und damit der Rechtsfortbildung zugänglich sei auch die Frage, wem die Vermögenswerte zustehen sollen. Insoweit würden jedoch die vorliegend entwickelten Grundsätze, die Wahrnehmung von Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen, den Grundgedanken des bürgerlichen Rechts entsprechen.

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