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24.11.2006; 15:10 Uhr
Führt TK-Review der EU-Kommission zum Wegfall des Rundfunkprivilegs?
Referenten der IUM-Arbeitssitzung zeigen Kritikpunkte an TK-Review auf

Die Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation durch die Europäische Kommission (TK-Review) war Gegenstand der letzten Arbeitssitzung des Jahres des Instituts für Urheber- und Medienrecht (IUM) am 24.11.2006 in München.

Im Verlauf der Vorträge kristallisierten sich verschiedene Kritikpunkte an den derzeitig vorliegenden Änderungsvorschlägen der Kommission zu den verschiedenen EU-Richtlinien im Telekommunikationsbereich aus dem Jahr 2002 heraus, die unter anderem eine Stärkung eines rein marktorientierten Ansatzes für die Frequenzverwaltung einschließlich eines Frequenzhandels, Flexibilisierung der Frequenzregulierung und die Schaffung einer EU-Regulierungsbehörde vorsehen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wies Karola Wille, Juristische Direktorin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), darauf hin, dass ein Frequenzhandel bereits heute möglich sei, dieser aber auch im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten liege, da diese durch das Amterdamer Protokoll berechtigt seien, den Umfang der jeweils zu nutzenden Frequenzen festzulegen. Einer effizienten Nutzung des zur Verfügung stehenden Frequenzspektrums widersprach sie nicht, jedoch müsse es einen allgemeinen »public service«-Vorbehalt geben. Anderenfalls drohte z. B. im Kabelbereich das Kippen der bisher bestehenden »must carry«-Regelungen. Letzterem stimmte Claus Grewenig, Justiziar des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT), zu und setzte sich nachdrücklich dafür ein, weiterhin sektorspezifisch zu regulieren, und zwar nicht nur im Breitband-, sondern auch im Rundfunkbereich. So zeige sich die Notwendigkeit von Marktanalyseverfahren daran, dass im Rahmen des »switch off« vom analogen zum digitalen Rundfunkempfang nicht automatisch von einer Austauschbarkeit der Übertragungswege ausgegangen werden könne angesichts einer erst beginnenden Durchdringung des Marktes mit entsprechenden Empfangs-Set-Top-Boxen. Dies gelte sowohl für eine Zugangs- als auch für eine Entgeltregulierung. Bedenklich sei in diesem Zusammenhang, so Grewenig, dass die Kommission im Wege eines laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen die deutschen »must carry« und »non must carry«-Bestimmungen in verschiedenen Landesmediengesetzen vorgehe. Einig waren sich Wille und Grewenig in der Forderung, im Rahmen des TK-Review den seit 2004 bestehenden Zugangsanspruch für Kommunikationsdiensteanbieter gegenüber Netzanbietern auf Inhalteanbieter auszudehnen.

Rüdiger Hahn, Abteilungsleiter Rechtsfragen der Regulierung Telekommunikation, Frequenzordnung der Bundesnetzagentur, bestätigte in seinem Vortrag die Tendenz der Europäischen Kommission, im Rahmen des TK-Review ihren Kompetenzbereich auszudehnen. So sei es zwar richtig, den Grundsatz der Technologie- und Diensteneutralität zu stärken, setze dem auch die Störanfälligkeit verschiedener Funkanwendungen technisch Grenzen. Zudem ermangele es den derzeitigen Definitionen z. B. »paneuropäischer Dienste« oder auch bestimmten Ausnahmetatbeständen vom Grundsatz der Technologieneutralität oder des Medienpluralismus an Schärfe und Klarheit. Dies könne Folgen zeitigen hin zu einer Konzentration von Kompetenzen auf EU-Ebene, da gerade für die neuen »paneuropäischen Dienste« oder für die Anerkennung von Ausnahmen von der Technologieneutralität zukünftig die neue EU-Regulierungsbehörde zuständig sein soll. Die Notwendigkeit für eine solche Behörde sah Hahn auch nicht unbedingt, seiner Ansicht nach seien die derzeitigen Konsultationsverfahren zwar aufwendig, schafften dafür aber auch Rechtssicherheit, was demzufolge für ein Greifen des europäischen Subsidiaritätsgrundsätzes spreche. Zu dem Gesichtspunkt, wie das Rundfunkprivileg im Telekommunikationssektor zukünftig nach erfolgter TK-Review aussehen könnte, referierte anschließend Hubertus Gersdorf von der Universität Rostock. Ein kompletter Wegfall und somit vollständige Gleichbehandlung von Contentanbietern mit Anbietern anderer Dienste sei erst nach der World Radiocommunication Conference 2010 denkbar. Ferner wäre es möglich, das Rundfunkprivileg lediglich auf die durch die »digitale Dividende«, also die digitalisierungsbedingt freiwerdenden Frequenzkapazitäten zu beschränken oder aber letztere Kapazitäten nur für öffentlich-rechtliche Anbieter zu reservieren und private dem Wettbewerb mit anderen Anbietern auszusetzen. Letztere sei für die Grundsätze der dualen Rundfunkordnung nicht ohne Konsequenzen. Um den Kreis derjenigen, die von dem Rundfunkprivileg profitieren sollen, bestimmen zu können, hielt Gersdorf publizistische Kriterien für untauglich. Jedoch kämen durchaus solche Überlegungen in Betracht, eine Privilegierung mit bestimmten Pflichten zu verknüpfen, z. B. der der Werbefreiheit, oder von weitergehenden »eigenständigen Rechtfertigungsgesichtspunkten« abhängig zu machen. Schließlich mahnte er an, bestehende Mehrfachversorgung durch die Verbreitung ein und desselben Programms über verschiedene Verbreitungswege zu beseitigen und dadurch frei werdende Frequenzen im Sinne breit gestreuter Informationsquellen für die Verbreitung breitbandiger Internetzugänge zu verwenden.

Dokumente:

  • Die Vorträge der Referenten und ein Diskussionbericht zur Veranstaltung erscheinen demnächst in der ZUM - Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

Institutionen:

[IUM/hl]

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