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30.01.2007; 11:13 Uhr
Anhörung zur Zukunft kollektiver Rechtewahrnehmung von Urhebern im Bundestag
Kommissionsempfehlungen für mehr Wettbewerb stoßen auf Kritik

Die kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandter Schutzrechte vor dem Hintergrund der Forderung der Europäischen Kommission nach mehr Transparenz und Wettbewerb unter den europäischen Verwertungsgesellschaften war eines der Themen der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland« des Deutschen Bundestages am 29.1.2007.

Für berechtigt hielten dabei die Vertreter der vier großen Verwertungsgesellschaften (VGen) GEMA, VG Wort, GVL und VG Bild-Kunst die Forderung von Brüssel (Empfehlung vom 18.10.2005, 2005/37/EG) nach mehr Transparenz, jedoch bezogen auf den gesamteuropäischen Rahmen. Für Deutschland sahen sie angesichts der bestehenden Regelungen keinen weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Demgegenüber sah Prof. Dr. Josef Drexl vom Münchner Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht durchaus Verbesserungsmöglichkeiten zu mehr Transparenz gegenüber Rechteinhabern und der Öffentlichkeit, so z. B. zu Inhalt und Durchführung von Gegenseitigkeitsverträgen. Bei dem Ziel nach gerechter Verteilung der erzielten Einnahmen und einer Gleichbehandlung der Mitglieder der VGen verwiesen die VGen ebenso wie Vertreter aus der Anwendungspraxis auf die Notwendigkeit, zwischen den eingebrachten Rechten von Urhebern und anderen Leistungsschutzberechtigten zu differenzieren, um so einen Widerspruch zum urheberrechtlichen Beteiligungsgrundsatz, so Prof. Dr. Georgios Gounalakis von der Philipps-Universität Marburg, und eine Verschiebung des Systems der kollektiven Wahrnehmung zu Lasten der Kreativen zuvermeiden.

Gegen das Konzept der Europäischen Kommission, auf Gegenseitigkeitsverträge der VGen zu verzichten und den Rechteinhabern die Wahl der zuständigen VG zu überlassen, brachten die Experten ihre Bedenken an. Zwar würden multiterritoriale Lizenzierungssysteme im Sinne eines »One-Stop-Shops« grundsätzlich notwendig und geignet, den illegalen Onlinemarkt zu schwächen, meinte Dr. Martin Vogel vom Europäischen Patentamt. Die Anwendung des reinen Wettbewerbspinzips würde aber nach Ansicht der VG Wort zu einer Bevorzugung der ohnehin großen nationalen Verwertungsgesellschaften und, so die GVL, zur Konzentration auf das lediglich wirtschaftlich attraktive Repertoire führen. Ähnlich sah dies auch Prof. Dr. Thomas Hoeren von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; dies würde sich letztlich auch zum Nachteil insbesondere kleinerer oder mittlerer Rechteinhaber auswirken, wenn den großen VGen wegen deren geringerer ökonomischen Relevanz das wirtschaftliche Interesse an einer Mitgliedschaft fehlen würde. Schließlich sei als Konsequenz der von der Kommission angestrebten spartenmäßigen Spezialisierung der VGen auch keine Vereinheitlichung, sondern vielmehr eine zunehmende Zersplitterung des Wahrnehmungsmarkts zu befürchten, so Drexl. Dies alles diene aber nach Ansicht Gounalakis' und der GVL nicht dazu, die kulturelle Vielfalt zu sichern, da so nur massenpopuläres Repertoire, nicht aber innovative Werke europaweit lizenziert werden würden.

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