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27.02.2007; 15:55 Uhr
Durchsuchung und Beschlagnahme bei CICERO verletzen Pressefreiheit
BVerfG: Durchsuchung von Redaktionsräumen nur bei Vorliegen spezifischer tatsächlicher Anhaltspunkte für Geheimnisverrat

Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume von CICERO und die Beschlagnahme der dort aufgefundenen Beweismittel stellen einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit des Beschwerdeführers, Geschäftsführer des Politikmagazins, dar. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Urteil vom 27.2.2007 (Az. 1 BvR 538/06; 1 BvR 2045/06 - Veröffentlichung in der ZUM folgt).

Nachdem im April 2005 in dem Magazin ein Artikel über Herkunft und Lebenslauf eines Terroristen sowie die von ihm unternommenen Anschläge erschien, der auf einen Auswertungsbericht des Bundeskriminalamts Bezug nahm, wollte die Staatsanwaltschaft Potsdam nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß §§ 353 b, 27 StGB u. a. eine Durchsuchung der Redaktionsräume der Zeitschrift durchführen. Sie sah aber davon ab, nachdem die Redaktion die mit dem Artikel in Zusammenhang stehenden Datenträger freiwillig herausgab. Die hiergegen eingelegten Beschwerden lehnten das Amtsgericht und das Landgericht Potsdam ab. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde führte nun aber zum Erfolg und zur Aufhebung der ablehnenden Gerichtsbeschlüsse.

Die Gerichte hätten dem verfassungsrechtlich gebotenen Informantenschutz nicht hinreichend Rechnung getragen, so die Karlsruher Richter. Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses in der Presse durch einen Journalisten allein reiche nicht aus, um einen zu einer Durchsuchung und Beschlagnahme ermächtigenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. Denn andernfalls hätte es die Staatsanwaltschaft regelmäßig in der Hand, durch die Entscheidung zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens den besonderen grundrechtlichen Schutz der Medienangehörigen zum Wegfall zu bringen. Erforderlich seien vielmehr spezifische tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer von einem Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses und damit einer beihilfefähigen Haupttat. Diese sei aber dann nicht gegeben, wenn Schriftstücke oder Dateien mit Dienstgeheimnissen versehentlich oder über eine nicht zur Geheimhaltung verpflichtete Mittelsperson nach außen gelangen, oder wenn der Geheimnisträger dem Journalisten nur Hintergrundinformationen liefern will und die Veröffentlichung abredewidrig erfolgt, da dann die Tat mit der Offenbarung des Geheimnisses bereits beendet und Beihilfe hierzu dann nicht mehr möglich ist. Gemessen an diesen Maßstäben widersprach die Durchsuchungs- unf Beschlagnahmeanordnung der dem von der Pressefreiheit gewährleisteten Schutz der Redaktionsarbeit, da außer der Veröffentlichung des Berichts in der Zeitschrift keine Anhaltspunkte für einen Geheimnisverrat durch einen Geheimnisträger vorlagen, weshalb die Durchsuchung letztlich vorwiegend die Ermittlung des mutmaßlichen Informanten aus dem Bundeskriminalamt ermöglichen sollte.

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