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17.01.2008; 10:30 Uhr
Zulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung über zivilrechtliche Auseinandersetzung
Kammergericht: Kein Eingrriff in Persönlichkeitsrecht bei herausragendem Informationsinteresse

Die identifizierende Berichterstattung über eine zivilrechtliche Auseinandersetzung ist als Mitteilung einer wahren Tatsache zulässig und verstößt auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Anonymität bei Bestehen eines herausragenden Informationsinteresses nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dies entschied der 10. Zivilsenat des Kammergerichts durch Urteil vom 19.11.2007 (Az. 10 U 133/07 - Veröffentlichung in der ZUM/ZUM-RD folgt).

Der Kläger, ein Polizeibeamter beim Bundeskriminalamt, hatte sich zunächst durch einstweilige Verfügung gegen einen Artikel vom Februar 2006 der Beklagten, einer Berliner Tageszeitung, gewandt, in der diese darüber berichtete, dass der Kläger nach Angaben eines illegal verschleppten deutschen Staatsbürgers ihn mit 90-prozentiger Sicherheit auf einem US-Stützpunkt in Afghanistan verhört habe. Anschließend verlangte der Kläger von der Beklagten unter Wiedergabe eines Auszuges des Februar-Artikels eine Richtigstellung dahingehend, dass der erweckte Eindruck, er habe das Verhör vorgenommen, falsch sei. Hierüber berichtete die Beklagte wiederum in einem weiteren Artikel und kommentierte dies als Versuch des Klägers, unbequeme Berichterstattung einzuschüchtern. Hiergegen richtete sich nun das letztlich erfolglose streitgegenständliche Untersagungsbegehren des Klägers.

Nach Ansicht des Kammergerichts hat die Beklagte zum einen keine unwahren Tatsachen behauptet, sondern allein ein tituliertes Unterlassungsgebot zutreffend wiedergegeben; hierin aber liegt keine Wiederholung der untersagten Behauptung, sondern die Mitteilung einer wahren Tatsache. Zum anderen liege in der Berichterstattung über die zivilrechtliche Auseinandersetzung auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Anonymität aufgrund eines überwiegenden Informationsinteresses der Beklagten kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Zwar sei es nicht von vornherein öffentlichkeitsrelevant, wenn eine Privatperson eine ihres Erachtens unzulässige Berichterstattung zu unterbinden versuche. Im streitgegenständlichen Fall handele es sich hingegen nicht um einen alltäglichen Vorgang, sondern um die Frage der Beteiligung deutscher Behörden an der illegalen Verschleppung eines deutschen Staatsbürgers, der ein herausragendes Informationsinteresse zuzumessen sei und eine namentliche Nennung des Klägers rechtfertige. Darüber hinaus habe der Kläger durch sein Richtigstellungsbegehren zu erkennen gegeben, seine Person aus der Öffentlichkeit nicht heraushalten zu wollen. Eine gleichzeitige Wahrung der Anonymität könne dann aber bei einer - wie hier - sachlichen Berichterstattung, die sich im Rahmen der eigenen inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Angelegenheit bewege, nicht mehr zu verlangt werden.

Institutionen:

Zu diesem Thema:

  • Zur Zulässigkeit der namentlichen Nennung eines früheren Offiziers der DDR-Grenztruppen in der Presse, Urteil des Kammergerichts vom 16. März 2007 - 9 U 88/06 - ZUM-RD 2007, 458-465
  • Kein Unterlassungsanspruch gegen identifizierbare Berichterstattung bei umfassender eigener Stellungnahme gegenüber der Presse, Urteil des Kammergerichts vom 4. Juni 2004 - 9 U 395/03 ZUM-RD 2004, 399-401
[IUM/hl]

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