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11.10.2011; 18:50 Uhr
Experten befürchten nach dem »Murphy-Urteil« des EuGH Rechtsunsicherheit
Fragen nach Sicherheit territorialer Exklusivität vor EU-Wettbewerbsrecht und angemessener Vergütung

Nach dem Urteil des EuGH zur Vereinbarkeit von territorialen Exklusivitätsvereinbarungen mit der Dienstleistungsfreiheit und dem EU-Wettbewerbsrecht (vgl. Meldung vom 4. Oktober 2011) befürchten Experten Rechtsunsicherheit, wie »Intellectual Property Watch« berichtet. Auswirkungen habe die Entscheidung jedenfalls nicht nur auf Geschäftsmodelle im Bereich der Sport-Satellitenübertragung, sondern auch auf andere audiovisuelle Inhalte. Problematisch sei nun die Sicherheit territorialer Exklusivitätsvereinbarungen vor dem EU-Wettbewerbsrecht sowie die Bestimmung einer angemessenen Vergütung in Exklusivverträgen.

Aus dem Urteil gehe hervor, dass Exklusivitätsvereinbarungen zwar grundsätzlich mit dem EU-Wettbewerbsrecht vereinbar seien, grenzüberschreitende Dienstleistungen zur Sendung der jeweiligen Inhalte aber nicht ausgeschlossen sein dürften. Wenn Urheberrechte nationale Rechte bleiben, so ein von »Intellectual Property Watch« konsultierter Urheberrechtler, sei unklar, ob »Lizenzierungen nach Ländern, vor allem online, gegen eine wettbewerbsrechtliche Überprüfung immun sind«. 

Die Luxemburger Richter hatten zudem geurteilt, dass der Preisaufschlag, den Rechteinhaber aufgrund der territorialen Exklusivität von Verwertern verlangen können, keine angemessene Vergütung im Sinne der Info-Richtlinie darstellt. Denn die Richtlinie bezwecke keine Garantie der höchstmöglichen Vergütung. Im Anschluss an diese Feststellungen wird nun die Frage aufgeworfen, welche Vergütung nun bei territorialen Exklusivitätsvereinbarungen als angemessen vereinbart werden kann. Für die Vertragsgestaltung seien zwei Möglichkeiten denkbar. Rechteinhaber könnten in Zukunft entweder Rechte nur an einen Anbieter EU-weit lizenzieren und diesen entscheiden lassen, wie die Inhalte in den Mitgliedstaaten weiterverbreitet werden. Oder sie könnten mehrere Lizenznehmer bestimmen, von denen jeder einzelne entscheiden kann, wer mit Sendungsdienstleistungen beauftragt wird und zu welchem Preis. 

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat nach Angaben von »Intellectual Property Watch« bereits eine sorgfältige Überprüfung des Urteils vor dem Hintergrund des jüngst veröffentlichten »Grünbuches über den Online-Vertrieb von audiovisuellen Werken in der EU« (vgl. Meldung vom 14. Juli 2011) angekündigt. Diese Initiative der Kommission soll zur Schaffung eines digitalen Binnenmarktes beitragen. Auf die fortschreitenden Verhandlungen zum WIPO-Vertrag zum Schutz audiovisueller Darbietungen (vgl. Meldung vom 27. Juni 2011) solle die Entscheidung des EuGH keinen Einfluss haben.

Auf dem Symposion des Instituts- für Urheber- und Medienrecht zum Thema »Medien ohne Grenzen - Offener Markt: ein Risiko für die traditionelle Verwertungspraxis?« waren sich die Referenten weitgehend darüber einig, dass territoriale Exklusivität aufgrund sprachlicher und kultureller Unterschiede in der EU als gängige Praxis berechtigt sei. Holger Enßlin von der deutschen »Sky« warf daher die Frage auf, warum diese Praxis nicht in den Ausführungen der Generalanwältin Kokott zum Verhältnis von Wettbewerbs- und Urheberrecht berücksichtigt worden sei.

Dokumente:

 

[IUM/eg]

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