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24.02.2012; 11:39 Uhr
BVerfG: Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten teilweise verfassungswidrig
Bisherige Praxis verstößt gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Der heute veröffentlichten Pressemitteilung des BVerfG zufolge haben die Karlsruher Richter mit Beschluss vom 24. Januar 2012 entschieden (Az.: 1 BvR 1299/05; Veröffentlichung in ZUM bzw. ZUM-RD folgt), dass die Regelungen des TKG zur Speicherung und Herausgabe von Nutzerdaten sowie Zugangssicherungscodes an Ermittlungsbehörden teilweise verfassungswidrig sind. Die in § 113 Abs. 1 S. 2 TKG geregelte spezielle Auskunftspflicht gegenüber Ermittlungsbehörden und anderen staatlichen Stellen hinsichtlich Sicherungscodes wie Passwörter oder PINs sei mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Die Regelung, welche etwa der Polizei sowie Nachrichtendiensten den Zugriff auf persönliche Passwörter und PIN-Codes ermöglicht, um beispielsweise ein beschlagnahmtes Mobiltelefon auszulesen oder gespeicherte Dateien zu durchsuchen, widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, so die Karlsruher Richter. Der Zugriff auf diese Daten sei in dem Umfang, wie ihn § 113 Abs. 1 S. 2 TKG derzeit vorsehe, für eine effektive Augabenwahrnehmung der Behörden nicht erforderlich. Die Vorschrift stelle nicht hinreichend sicher, dass die Sicherheitsbehörden Auskünfte über die geregelten Zugangssicherungscodes nur dann verlangen dürfen, wenn die jeweils maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen (etwa der StPO) für ihre Nutzung gegeben sind.

Unzulässig ist nach dem BVerfG auch die Abfrage von Auskünften über den Inhaber einer dynamischen IP-Adresse. § 113 TKG dürfe entgegen der »verbreiteten, aber umstrittenen Praxis« hierfür nicht, auch nicht im Wege der Auslegung, herangezogen werden. Weil die Provider bei der Identifizierung von Nutzern über die dynamische IP-Adresse die entsprechenden Kundendaten sichten müssten und so Einblick in das individuelle Surfverhalten erlangen könnten, greife der Vorgang in das Telekommunikationsgeheimnis nach Art. 10 GG ein.

Die Richter setzten dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2013, um eine verfassungskonforme Neuregelung des § 113 TKG zu schaffen. Bis dahin gelten die Bestimmungen mit Einschränkungen weiter. Im Übrigen hielten sie die Erhebung und Speicherung von Telekommunikationsdaten nach § 111 TKG sowie ihre in § 112 TKG geregelte Verwendung im automatisierten Auskunftsverfahren für verfassungsgemäß. Der dadurch bewirkte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei nur »von begrenztem Gewicht« und im Verhältnis zur staatlichen Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt.

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