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23.04.2012; 11:03 Uhr
BGH zur Entschädigung für von Hinterbliebenen untersagte Fotoveröffentlichung eines Unfallopfers
Keine Ersatzpflicht bei rein publizistischer Verwendung einer ansonsten kommerziell nicht verwertbaren Abbildung

Angehörigen eines verstorbenen Verkehrsunfallopfers, dessen neutrales Porträtfoto im Rahmen der Presseberichterstattung entgegen deren Willen veröffentlicht wurde, haben keine Ansprüche auf Geldentschädigung oder Ersatz einer angemessenen Lizenzgebühr, wenn sie nicht selbst unmittelbar in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt sind bzw. die Fotoveröffentlichung einer »kommerziellen Vermarktung« der verstorbenen Person dient. So entschied der BGH in einem am Freitag veröffentlichten Urteil vom 20. März 2012 ( Az.: VI 123/11; Veröffentlichung in ZUM bzw. ZUM-RD) und bestätigte damit die Entscheidung der Berufungsinstanz (Urteil des OLG Karlsruhe in Freiburg vom 9. Juli 2009, Az.: 14 U 158/09).

Geklagt hatten die Eltern einer 32-Jährigen Frau, die im Oktober 2005 bei einem Verkehrunfall tödlich verunglückt war. Beifahrer des Unfallverursachers war der wegen seiner Teilnahme am Eurovision Song Contest 2004 bekannte Musiker Max Mutzke. Die Eltern der getöteten Frau lehnten auf Nachfrage der »BILD«-Zeitung die Herausgabe eines Fotos ihrer Tochter zur Veröffentlichung in der Presse ab. Ungeachtet dessen wurde ein daraufhin von einem Dritten erlangtes neutrales Porträtfoto der Frau in »BILD«, »BILD am Sonntag« und »BILD Online« veröffentlicht. Die Eltern verlangten Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts sowie Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr für die unerlaubte Verwendung des Bildnisses.

Der BGH lehnte die Ansprüche, wie zuvor das OLG Karlsruhe, ab. Ein Anspruch auf Geldersatz wegen Verletzung ihres eigenen Persönlichkeitsrechts bestünde nur, so der BGH unter Verweis auf seine frühere Rechsprechung, wenn die Kläger als »unmittelbar Verletzte« selbst durch die Berichterstattung mt dem Porträtfoto ihrer tödlich verletzten Tochter in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden wären. Der BGH stimmte den Ausführungen des Berufungsgerichts u.a. darin zu, dass selbst dann, wenn ein Teil der Leser aus der Abbildung den Schluss zöge, die Kläger hätten der Veröffentlichung des Fotos zugestimmt, und dies mißbilligte, keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger von nennenswertem Gewicht vorläge. Auch eine Lizenzgebühr stehe den Klägern nicht zu. Eine solche Ersatzpflicht bestehe nach der Rechtssprechung des erkennenden Senats bei Fallgestaltungen nicht, bei denen es - wie im Streitfall - um die Presseberichterstattung über die Öffentlichkeit interessierende Ereignisse gehe und bei denen kommerzielle Interessen einer verstorbenen - der Öffentlichkeit bislang unbekannten - Person, die Gegenstand der Berichtserstattung war, nicht bestanden. In solchen Fällen gehe es der Presse nicht darum, sich die kommerzielle Verwertungsbefugnis der Person anzumaßen. Vielmehr stehe das Berichterstattungsinteresse im Vordergrund. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Widerspruch zwischen der Rechtssprechung des erkennenden und des I. Zivilsenats aufgrund unterschiedlicher Fallgestaltungen im Hinblick auf Schutzgut und Interessenlage nicht bestehe.

Dokumente:

  • Urteil des BGH vom 6. Dezember 2005, Az.: VI ZR 265/04, ZUM 2006, 211 und Urteil des BVerfG vom, 1 BvR 402/06, ZUM 2007, 380: Zur Geldentschädigung bei Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts (Entscheidungen jeweils im Volltext bei Beck Online)
  • Urteil des I. Zivilsenats vom 1. Dezember 1999, I ZR 49/97 (Marlene Dietrich), ZUM 2000, 582; vom, I ZR 182/04 (Rücktritt des Finanzministers), ZUM 2007, 55; vom 5. Oktober 2005, I ZR 277/03 (Klaus Kinski), ZUM 2007, 54

Institutionen:

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