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17.11.2012; 16:26 Uhr
Musikindustrie: BGH-Filesharing-Entscheidung darf nicht als Freifahrtschein verstanden werden
Branche erhofft sich klare Vorgaben für die elterliche Aufsichtspflicht aus den Urteilsgründen

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag entschieden hat, dass Eltern nicht für das Filesharing ihres 13-jährigen Sohnes haften, soweit sie ihn ausreichend belehrt haben, befürchtet die Musikindustrie eine Missinterpretation des Urteils durch die Internetnutzer. Einer Pressemitteilung des Bundesverbands Musikindustrie zufolge warnte der Geschäftsführer Dr. Florian Drücke davor, das Urteil als »Freifahrtschein für betroffene Eltern bzw. ihre Kinder zum sorglosen Filesharing« zu verstehen. Die Pressemitteilung des BGH zu der Entscheidung könne nicht dahingehend verstanden werden, dass eine einmalige Belehrung der Kinder durch ihre Eltern genüge, um der Aufsichtspflicht zu genügen. Welche konkreten Maßnahmen Eltern erfüllen müssen, um einer Haftung zu entgehen, erhofft sich Drücke aus der Urteilsbegründung entnehmen zu können. Eine Rund-um-die Uhr-Betreuung von Kindern sei zwar nicht erforderlich. Doch sollten frühzeitig ein Bewusstsein für den Wert von Musik, Filmen oder Büchern vermittelt und die zahlreichen Wege aufgezeigt werden, digitale Inhalte legal im Internet zu nutzen. Der Fall zeige die Notwendigkeit klarer Regeln für den Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken im Internet auf. Klare Vorteile biete hier das von der Kultur- und Kreativwirtschaft seit vielen Jahren geforderte Warnmodell.

»Wir fordern seit Jahren ein Warnhinweismodell, bei dem im Fall einer Urheberrechtsverletzung zunächst eine Warnung durch den Internet-Service-Provider an den Anschlussinhaber versendet wird. Nach Erhalt einer solchen Warnung gäbe es somit die Möglichkeit, den Vorgang innerhalb der Familie zu diskutieren und damit einer erneuten Rechtsverletzung vorzubeugen. Leider scheitert die Einführung eines solchen Modells, das im Übrigen laut aktueller DCN-Studie der GfK auch von der Mehrheit der Bevölkerung als sinnvoll und wirkungsvoll erachtet wird, sowohl an der dafür notwendigen Kooperation der Internet-Service-Provider als auch am Bundesjustizministerium, das mit Begriffen wie »Angst-Modell« gezielt Stimmung dagegen macht.«

In dem vom BGH entschiedenen Fall (Az.: I ZR 74/12 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt) hatten vier führende Tonträgerhersteller gegen die Eltern eines 13-Jährigen wegen der Verletzung von Urheberrechten an 15 Musiktiteln auf Schadensersatz geklagt. Über den Internetanschluss der Beklagten waren am 28. Januar 2007 insgesamt 1.147 Audiodateien mit Musiktiteln aus dem Repertoire der Klägerinnen im Internet durch ihren Sohn öffentlich zugänglich gemacht worden. Anders als die Vorinstanzen hatte der BGH eine Haftung der Eltern abgelehnt. Die Eltern hätten ihr 13-jähriges, normal entwickeltes Kind über die Rechtswidrigkeit des so genannten Filesharings aufgeklärt und keinen konkreten Anlass zum Misstrauen gehabt. Die Richter hoben damit das Urteil der Vorinstanz auf (OLG Köln vom 23. März 2012, Az.: 6 U 67/11, ZUM 2012 697 - Volltext bei Beck Online).

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