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20.12.2012; 21:04 Uhr
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Urteil gegen Türkei wegen Online-Zensur
Sperrung des Zugangs auf bestimmte Internetseiten verletzt Meinungsäußerungsfreiheit

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat diesen Dienstag einstimmig entschieden, dass eine in der Türkei angeordnete Sperrung des Zugangs für bestimmte Internetseiten gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt. Einer Pressemitteilung des EGMR zufolge ging es im Fall um eine in der Türkei gefällte richterliche Entscheidung, wonach der Zugang zu einer bei »Google Sites« gehosteten Webseite, auf der Staatsgründer Kemal Atatürk verunglimpft worden sein soll, blockiert werden musste. Die mit der Sperrung beauftragte türkische Telekommunikationsbehörde TIB beantragte wiederum erfolgreich bei dem Gericht, den gesamten Dienst zu sperren. Dies führte unter anderem dazu, dass auf die persönliche Webseite von Ahmet Yildirim nicht mehr zugegriffen werden konnte. Der 29-Jährige publizierte auf seiner Seite von ihm erstellte wissenschaftliche Arbeiten und nutzte die Seite außerdem zur Veröffentlichung seiner Ansichten zu verschiedenen Themen. Yildirim ging gerichtlich gegen die Entscheidung vor, da seine Webseite mit dem streitgegenständlichen Rechtsverstoß in keinerlei Verbindung stehe. Außerdem sei das Verfahren gegen den Inhaber der strafrechtlich relevanten Webseite zwischenzeitlich eingestellt worden, da seine Identität nicht festgestellt werden konnte. Yildirim berief sich vor dem EGMR auf Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Zu Recht entschied der EGMR und verurteilte die Türkei wegen Verletzung des Art. 10 EMRK, 7.500,- Euro an Yildirim zur Kompensation immatrerieller Schäden sowie 1.000,- Euro an Kosten und Auslagen zu zahlen. Das Vorgehen war nach Ansicht der Straßburger Richter willkürlich und hätte einer sorgfältigen Prüfung bedurft. Das Internet sei eines der wichtigsten Mittel für die Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit. Nach dem türkischen Recht hätte eine Seite blockiert werden können, wenn der Inhalt Anlass zur Annahme gegeben hätte, dass ein Straftatbestand erfüllt wird. Eine komplette Internetplattform zu sperren sei aber nicht zulässig gewesen. 

Der Beschluss hat noch keine Rechtskraft, da für beide Seiten noch der Weg zur Großen Beschwerdekammer des Gerichts offen steht. 

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