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02.03.2015; 14:17 Uhr
OLG München bejaht Vergütungspflicht für sog. »Musik-Handys« nach §§ 54, 54 d UrhG a.F.
Richter bejahen Abgabepflicht und ziehen hinsichtlich der Bestimmung der Höhe die Anlage zu § 54 d UrhG a.F. heran

In den Rechtsverfahren der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) gegen die Gerätehersteller und Vertreiber Sony, Motorola, Nokia und Samsung um die Geräteabgabe für so genannte »Musik-Handys« für die Jahre 2004 bis 2007 hat das Oberlandesgericht München (OLG München) sein erstes Urteil gefällt. Der 6. Zivilsenat hat der Klägerin sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach Recht gegeben (Urteil vom 30. Oktober 2014, Az.: 6 Sch 20/12 WG - Veröffentlichung in der ZUM-RD folgt).

In dem Fall war die ZPÜ gegen die Beklagte, die Smartphones und die dazugehörigen Speichermedien nach Deutschland importiert und dort vertreibt wegen der Zahlung der Geräteabgabe nach §§ 54, 54 d UrhG a.F. vorgegangen. Nach dem lange erwarteten Urteil des OLG München muss die Beklagte der ZPÜ nun gem. § 54 g UrhG a.F. Auskunft über die Art und die Stückzahl der von ihr in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007 in Deutschland veräußerten oder in Verkehr gebrachten »Musik-Handys« erteilen, sofern diese nicht im Inland von ihr bezogen wurden. Weiter stellt das OLG fest, dass die Beklagte für jedes dieser »Musik-Handys« eine Vergütung im Sinne des § 54 Abs. 1 UrhG a.F. zu zahlen hat. Die Höhe richtet sich dabei nach der Anlage zu § 54 d UrhG a.F. Die Beklagte hat damit je Handy 2,56 Euro (mit interner Speichermöglichkeit) bzw. 1,28 Euro (ohne) zzgl. USt. zu zahlen. Für Handys ohne eigenständige, von einem PC unabhängige Vervielfältigungsmöglichkeit, aber mit Audiospeicherungsmöglichkeit auf einem integrierten Speicher fällt eine Vergütung von 0,0614 Euro pro Stunde Audiospieldauer an, zzgl. USt. 

Unter einem »Musik-Handys« ist dem OLG München zufolge jedes Mobiltelefon zu verstehen, welches über eine Audiospeicherungsmöglichkeit oder Audiospeicherungsfunktion sowie außerdem über eine Audioabspielmöglichkeit verfügt, sofern es sich hierbei nicht um eine reine Audiospeicherungsmöglichkeit wie die Audiospeicherungsfunktion über Mikrofon handelt, und sofern die Audiospeicherungsmöglichkeit oder Audiospeicherungsfunktion nicht auf den Umgang mit Steuerungsdaten zur Erzeugung von mono- oder polyphonen Klingeltönen, wie beispielsweise Midi-Dateien, Nokia-RTTL-Dateien oder iMelody-Dateien, beschränkt ist.

Die Auseinandersetzung hinsichtlich der Handygeräteabgabe dauert bereits mehrere Jahre an. Schon im Jahr 2003 waren die zwischen Vertretern des IT-Branchenverbands BITKOM und der ZPÜ über den Abschluss eines Gesamtvertrages geführten Gespräche gescheitert. Ab 2007 hatte die ZPÜ verschiedene Verfahren bei der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts (Schiedsstelle) angestrengt. Gegen den im Fall der Beklagten am 29. März 2012 ergangene Einigungsvorschlag (Sch-Urh 222/10) legten beide Parteien Widerspruch ein.

Im Klageverfahren vor dem OLG München sind die Richter dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle größtenteils gefolgt. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten sehen die Richter eine Zweckbestimmung der »Musik-Handys« zu der nach den §§ 53, 54 ff. UrhG a.F. vergütungspflichtigen Nutzung als gegeben an. Für die nach § 54 Abs. 1 UrhG a.F. erforderliche erkennbare Zweckbestimmung sei es nicht relevant, ob das Handy, wie von der Beklagten vorgebracht, vorrangig zu einem anderen Zweck benutzt wird. Entscheidend sei die Nutzungsmöglichkeit. Die Handys seien sowohl technisch geeignet Kopien im Sinne des § 53 UrhG a.F. zu erstellen als auch erkennbar dazu bestimmt. Eine Beschränkung wie sie die Schiedsstelle in ihrem Einigungsvorschlag vom 29. März 2012 vorgenommen hat, wonach das Gerät über eine MP3-Funktion verfügen muss, um technisch geeignet zu sein, lehnt der 6. Zivilsenat ausdrücklich ab. Neben der technischen Eignung sind die streitgegenständlichen Mobiltelefone den Richtern zufolge auch im Sinne von § 54 Abs. 1 UrhG a.F. erkennbar zur Vornahe vergütungsrelevanter Vervielfältigungen bestimmt. Dies ergäbe sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Vergütungspflicht bei PCs bereits aus den von der Klägerin vorgelegten Werbeaussagen der Geräteherstellung und der Bedienungsanleitung (BGH ZUM 2012, 567 - PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät).

Die Beklagte hatte die Forderungen der ZPÜ weiter unter Hinweis auf eine ihrer Ansicht nach vorliegende Europarechtswidrigkeit des deutschen Vergütungssystems für Privatkopien zurückgewiesen. §§ 53, 54 ff UrhG a.F. seien in zweierlei Hinsicht mit der Richtlinie 2001/29/EG (Info-Richtlinie) nicht vereinbar. Zum einen finde eine Unterscheidung, ob die der Vergütungspflicht unterliegenden Geräte privaten oder nicht privaten Nutzern überlassen werden - und in letztem Falle eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten seien - nicht statt. Im konkreten Fall habe die Beklagte den Großteil der Handys an gewerbliche Zwischenhändler abgegeben. Zum anderen schaffe § 54 Abs. 1 UrhG a.F. nur dann einen »angemessenen Ausgleich« im Sinne des Art. 5 Abs. 2 lit. b der Info-Richtlinie, wenn Hersteller und Importeure der streitgegenständlichen Mobiltelefone in der Lage seien, die Abgabe auf den Endverbraucher abzuwälzen, der die Privatkopie erstellt. Dies sei für die Vergangenheit nicht möglich.

Beide Punkte lehnen die Münchner Richter unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH zu der Vergütungspflicht bei PCs (BGH, ZUM 2014, 893, 898 - PC III-Entscheidung, vgl. auch Meldung vom 4. Juli 2014) sowie die Rechtsprechung des EUGH (u.a. EUGH ZUM-RD 2011, 1 Rn. 43-94 - Padawan/SGAE) ab. Zwar sei es mit der Richtlinie unvereinbar, grundsätzlich vergütungspflichtige Geräte wie die streitgegenständlichen »Musik-Handys« der Vergütungspflicht zu unterwerfen wenn diese Geräte eindeutig anderen Verwendungen vorbehalten seien. Hiervon sei aber bei einer Abgabe an gewerbliche Zwischenhändler nicht auszugehen. Da die »Musik-Handys« geeignet und dazu bestimmt seien, für gemäß § 53 UrhG a.F. vergütungspflichtige Vervielfältigungen genutzt zu werden, bestehe eine widerlegliche Vermutung dafür, dass sie auch tatsächlich für solche Vervielfältigungen verwendet werden. Diese Vermutung könne nicht dadurch entkräftet werden, dass die Handys an Zwischenhändler verkauft wurden, nachdem diese - wie auch die weiteren Vergütungspflichtigen im Sinne von § 53 UrhG a.F. - grundsätzlich die Möglichkeit haben, diese Belastung auf die tatsächlichen Nutzer abzuwälzen (s.a. EUGH aaO.-Padawan/SGAE, ZUM 2014, 573 - AC I Adam u.a./Thuiskopie und SONT).

Weiter folge aus der Rechtsprechung des EUGH zum »angemessenen Ausgleich« (EUGH aaO.-Padawan/SGAE) in diesem Fall kein Rückwirkungsverbot dergestalt, dass es der Klägerin aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verwehrt sei im Nachhinein für zurückliegende Zeiträume Vergütungsansprüche zu fordern. Zwar müsse es den Herstellern, Importeuren und Händlern von vergütungspflichtigen Geräten grundsätzlich möglich sein, die Belastung durch die Gerätevergütung dadurch an den Endnutzer weiterzugeben, dass sie den Betrag der Vergütung in den vom Endnutzer zu entrichtenden Preis einfließen lassen. Nach Ansicht der OLG-Richter war die Beklagte aber wie auch in dem vom BGH entschiedenen Fall zur Vergütungspflicht bei PCs (BGH, ZUM 2014, 893 - PC III) an einer entsprechenden Kalkulation ihrer Abgabepreise nicht gehindert, da ihr bekannt gewesen sei, dass die Frage der Vergütungspflicht für »Musik-Handys« nach § 54 Abs. 1 UrhG a.F. umstritten war und die Klägerin für solche Geräte eine Vergütung forderte 

Für die Bemessung der Höhe der zu zahlenden Gerätevergütung ziehen die Richter die Anlage zu § 54 d UrhG a.F. heran. Der herzustellende »angemessene Ausgleich« lasse die Befugnis des nationalen Gesetzgebers, die Art und Weise der Finanzierung und Erhebung sowie die Höhe dieses gerechten Ausgleichs festzulegen, unberührt (EUGH - Padawan/SGAE). Damit sei auch eine abstrakte Festsetzung wie in der Anlage vorgesehen, möglich. Auch die Tatsache, dass die Anlage sich direkt nur auf analoge Kopiervorgänge beziehe, schließe die Anwendbarkeit der Anlage im Hinblick auf die zugunsten des Urhebers streitende »Ergebnispflicht« einer nationalen Vergütungsregelung nicht aus. Hinsichtlich des Umfangs der vergütungsrelevanten Nutzung im Vergleich zu den von der Anlage direkt betroffenen herkömmlichen Tonaufzeichnungsgeräten stellen die Richter fest, dass entsprechend der BGH-Rechtsprechung zu Multifunktionsgeräten, der Vergütungssatz in voller Höhe anfalle, auch wenn das Gerät nur in geringem Umfang als Kopiergerät genutzt werde.

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