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01.02.2011; 15:11 Uhr
EuGH entscheidet zum Verhältnis von Geschmacksmuster- und Urheberrecht
Italien durfte urheberrechtlichen Designschutz nicht wegen Gemeinfreiheit des Geschmacksmusters entfallen lassen

Der EuGH hat am 27. Januar 2011 über die Vereinbarkeit eines Ausschlusses des Urheberrechtsschutzes für Muster mit Art. 17 und 19 der Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen entschieden (Az. C-168/09, Veröffentlichung in ZUM oder ZUM-RD folgt). Das italienische Recht machte ursprünglich die Trennbarkeit von künstlerischem Wert und gewerblichem Charakter zur Voraussetzung eines kumulativen Schutzes. Ab April 2001 wurde das Kriterium aufgegeben. Fortan sind nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 des italienischen Gesetzes über den Schutz des Urheberrechtes und weitere mit seiner Ausübung verbundene Rechte geschützt: »Werke des Industriedesigns, die selbst einen schöpferischen Charakter und einen künstlerischen Wert haben«. Weiter wurde eine aufschiebende Frist eingeführt. Wer vor dem genannten Zeitpunkt mit der Produktion nach Vorlage gemeinfreier Werke begonnen hatte, konnte zehn Jahre lang nicht belangt werden.

Im nationalen Rechtsstreit verklagte ein Lampenhersteller einen anderen wegen dessen »sklavischer Übernahme« aller stilistischen und ästhetischen Merkmale einer Lampe, die als Werk des Industriedesigns einst Schutz unter dem italienischen UrhG genoss. Die nachgeahmte Lampe war vor dem 1. April 2001 gemeinfrei geworden. Während des Rechtsstreits wurde jedoch die genannte Frist und damit der Schutz gewerblicher Muster und Modelle, die vor dem 1. April 2001 gemeinfrei waren, aufgehoben. Dies hatte zur Folge, dass Werke wie die streitgegenständliche Lampe wegen des Ablaufs der Schutzfristen für den Modellschutz gleichzeitig keinen urheberrechtlichen Schutz mehr erhielten. Das Tribunale di Milano reichte ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH ein, weil es Zweifel an der Vereinbarkeit dieses Schutzausschlusses mit Art. 17 und 19 der Richtlinie 98/71/EG hatte.

Aus Art. 17 Satz 2 der Richtlinie ergibt sich, dass Muster auch Urheberrechtsschutz erlangen. Lediglich die Schutzvoraussetzungen einschließlich der erforderlichen Gestaltungshöhe können von den Mitgliedstaaten selbst festgelegt werden. Daraus schließt der EuGH, dass ein gänzliches Entfallen des Urheberrechtsschutzes nicht zulässig ist. Aus dem achten Erwägungsgrund ergebe sich zudem, dass ein kumulativer Schutz durch das Geschmacksmuster- und Urheberrecht vorgesehen ist, solange das Urheberrecht nicht harmonisiert ist. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 93/98/EWG zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte ordnet eine Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers an. Nach Art. 10 Abs. 2 der Schutzdauer-Richtlinie gilt dies für alle Werke, die am 1. Juli 1995 zumindest in einem Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt waren. In diesem Zusammenhang musste die Richtlinie 98/71/EG ausgelegt werden. Der EuGH hebt hervor, dass die Schutzdauer-Richtlinie zu einem Wiederaufleben des Schutzes für Werke führen kann, die gemeinfrei geworden sind. Dies sei der ausdrückliche Wille des Unionsgesetzgebers.

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