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02.12.2011; 12:41 Uhr
BGH: Berichterstattung über die Mitwirkung als Darsteller in Pornofilmen betrifft Sozialsphäre - Wahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich hinzunehmen
Äußerungsinteressen überwiegen Interesse am Persönlichkeitsschutz

Hat jemand in einem pornografischen Film mitgewirkt und dabei kein Kondom verwendet, kann darüber berichtet werden. Der BGH hat entschieden, dass eine Wortberichterstattung den Betroffenen zwar in seiner Sozialsphäre beeinträchtigt, diese Beeinträchtigung jedoch hinzunehmen ist, wenn die Äußerungsinteressen das Persönlichkeitsrecht überwiegen (Urteil vom 25. Oktober 2011, Az.: VI ZR 332/09, Veröffentlichung in ZUM oder ZUM-RD folgt). Präsentiert sich jemand in kommerziellen Filmen bewusst und gewollt der Öffentlichkeit als Pornodarsteller, kann er sich nicht mehr auf den Schutz der öffentlichkeisabgewandten Privatsphäre berufen. Mit dieser Entscheidung hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, welches die Privatsphäre des Klägers betroffen sah und ihm einen Unterlassungsanspruch zugesprochen hatte.

Unstreitig wirkte der Kläger als Darsteller in pornografischen Filmproduktionen mit, ohne dass dabei Kondome verwendet wurden. In den acht Filmproduktionen war er jeweils kurze Zeit und gut erkennbar im Bild zu sehen. Die Beklagte veröffentlichte im zeitlichen Zusammenhang mit der öffentlichen Vorstellung des Klägers als neuer Lebensgefährte einer bekannten Schauspielerin einen Artikel mit folgender Textpassage: »Und Fernsehstar...? Was mag sie wohl gefühlt haben, als sie erfuhr, dass ihr neuer Freund ... noch vor wenigen Monaten als Pornodarsteller brillierte - ohne Kondom natürlich. Kann es nach einem solchem Vertrauensbruch eine andere Lösung als Trennung geben?« Das LG Berlin (Urteil vom 22. Januar 2009, Az.: 27 O 936/08) war der Ansicht, zwar habe sich der Kläger dem Schutz der Intimsphäre begeben, da er bewusst und aus freien Stücken an den Filmproduktionen teilgenommen und diesen sexuellen Bereich der Öffentlichkeit preisgegeben habe. Die beanstandete identifizierende Berichterstattung verletze den Kläger aber in seiner Privatsphäre. Das LG Berlin ging davon aus, dass ein pornographischer Film ein »personell anonymes Geschehen« sei und die Mitwirkenden an Pornofilmen regelmäßig namentlich nicht bekannt sind. Nach dem Inhalt der Filme trete der Kläger »nicht als Person, sondern lediglich als anonymer austauschbarer Körper auf«. Die Meinungsfreiheit der Beklagten müsse hinter das Interesse am Schutz der Persönlichkeit zurücktreten, da ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht bestehe.

Diese Argumentation hält der Überprüfung durch den BGH nicht stand. Er vertritt die Ansicht, der Kläger habe sich auch dem Schutz der Privatsphäre begeben, da er den typischerweise als »privat« eingestuften sexuellen Bereich nach außen öffnete und der Öffentlichkeit preisgab. Eine gleichzeitige Berufung auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Privatsphäre sei dann ausgeschlossen. Ein Darsteller in einem Pornofilm, der sich dem Publikum ohne Einschränkung erkennbar präsentiert, könne entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts »nicht auf einen namen- und identitätslosen Körper reduziert werden«. Entscheidend sei, dass sich die Tätigkeit des Klägers nicht in dem öffentlichkeitsabgewandten Bereich privater Lebensführung vollzog, sondern erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet war. Da das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG keinen Anspruch darauf vermittele, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie  es dem Betroffenen genehm ist, seien wahre Tatsachenbehauptungen aus dem Bereich der Sozialsphäre grundsätzlich hinzunehmen, auch wenn sie für ihn nachteilig sind. Nach Ansicht des BGH liegt ein nicht unerhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über den Kläger als neuer Lebensgefährte einer in Deutschland sehr bekannten Schauspielerin vor. Dies umso mehr als der Umgang mit Pornografie und »safer sex« in der Gesellschaft kontrovers diskutiert und eine Berichterstattung hierüber durchaus zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen geeignet sei.

Das Berufungsgericht hat nun noch festzustellen, ob die ebenfalls angegriffene Behauptung, der Kläger habe seiner Freundin die Vergangenheit als Pornodarsteller verschwiegen, eine wahre oder unwahre das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigende Tatsachenbehauptung enthalte.

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