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20.12.2011; 13:30 Uhr
US-Bundesgericht entscheidet über Grenzen der freien Meinungsäußerung bei Twitter
Bedrohliche Tweets von Meinungsfreiheit gedeckt - Kein Verstoß gegen Anti-Stalking-Gesetz

Das US-Bundesgericht Maryland hat vergangene Woche entschieden, dass seelisch belastende, über Dienste wie »Twitter« verbreitete Äußerungen gegen eine Person des öffentlichen Lebens nicht nach dem Anti-Stalking-Gesetz strafbar sind. Um als Stalker zu gelten, müsse der Urheber der Äußerungen das Opfer anrufen. Wie »Spiegel Online« berichtet, stand der Angeklagte William Cassidy vor Gericht wegen an eine Würdenträgerin einer buddhistischen Organisation gerichteten Tweets wie »Du bist eine Lügnerin und Betrügerin und du korrumpierst den Buddhismus durch deine bloße Anwesenheit: Geh und bring dich um« und »Der Regen morgen sollte meine Spuren verwischen«. Richter Roger W. Titus hat ihn freigesprochen. Die Tweets enthielten zwar Drohungen, seien aber nicht mit Telefongesprächen vergleichbar, da sie für eine nicht näher bestimmte Öffentlichkeit zugänglich sind. Da die bedrohte Frau Würdenträgerin in einer religiösen Gemeinschaft sei, müsse sie mehr öffentliche Kritik aushalten als andere Personen. Die Äußerungen des Angeklagten seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Es liege keines der Kriterien für eine zulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit - wie etwa Obszönität, Diffamierung oder echte Bedrohung - vor.

Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) lobt das am 15. Dezember 2011 ergangene Urteil. EFF bezog in dem Prozess Stellung für den Angeklagten und reichte einen so genannten »Amicus-Schriftsatz« ein. Darin vertrat EFF die Ansicht, die Regelung des Anti-Stalking-Gesetzes über die Strafbarkeit seelisch belastender Äußerungen mittels »interactive computer services« sei zu unbestimmt und daher verfassungswidrig. Die Äußerungen des Angeklagten seien durch die Verfassung geschützt. Er habe eine Figur des öffentlichen Lebens kritisiert und beleidigt. Dieses Recht der freien Meinungsäußerung dürfe der Staat nicht einschränken. »Speech on social networking sites - as speech anywhere - has the potential to inform and enlighten as well as to outrage«, erklärte EFF-Anwalt Matt Zimmermann. »Spiegel Online« meldet, aus den Ermittlungsakten habe sich u.a. ergeben, dass der Angeklagte sich unter falschem Namen bei der buddhistischen Organisation eingeschlichen habe. Er habe der später von ihm bedrohten Frau einen Heiratsantrag gemacht, den diese ablehnte. In diesem Zusammenhang äußert »Spiegel Online« Zweifel an der Beschreibung des Verhaltens des Angeklagten als »Kritik an einer Figur des öffentlichen Lebens«.

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