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23.01.2009; 13:25 Uhr
BGH: Vivaldi-Oper »Motezuma« mit hoher Wahrscheinlichkeit schon 1733 erschienen
Urteil zu Voraussetzungen eines Schutzes nicht erschienener Werke nach § 71 UrhG

Für die Inanspruchnahme des urheberrechtlichen Schutzes für nicht erschienene Werke gemäß § 71 UrhG trägt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Januar 2009 der Herausgeber der Erstausgabe grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast (Az.: I ZR 19/07, Veröffentlichung in ZUM oder ZUM-RD folgt). Da der Nachweis, dass ein unter Umständen jahrhundertealtes Werk noch »nicht erschienen« ist, in der Regel nur schwer zu erbringen sei, könne sich der Anspruchsteller zunächst auf die bloße Behauptung beschränken. Führt die Gegenseite jedoch Umstände an, die gegen seine Darstellung sprechen, müsse er diese Umstände widerlegen.

Im konkreten Fall ging es um die Aufführungsrechte der über Jahrhunderte verschollen geglaubten Oper »Motezuma« von Antonio Vivaldi, die 1733 in Vendig aufgeführt wurde. Zunächst war nur das Libretto bekannt, die eigentliche Komposition Vivaldis wurde erst im Jahre 2002 im Handschriftenarchiv der Berliner Sing-Akademie entdeckt und anschließend herausgegeben. Die Oper wurde 2005 im Rahmen des Düsseldorfer Kulturfestivals »Altstadtherbst« aufgeführt, wogegen sich die Sing-Akademie zunächst mit einer einstweiligen Verfügung versucht hatte zur Wehr zu setzen und schließlich Schadenersatzklage gegen die Veranstalterin des Festivals erhoben hatte. Dabei berief sich die Sing-Akademie auf die Verletzung der Aufführungsrechte, die ihr als Herausgeberin der Erstausgabe der Komposition gemäß § 71 UrhG zustünden.

Der Bundesgerichtshof bestätigte nun die Urteile der Instanzgerichte (LG Düsseldorf, ZUM 2006, 654 und OLG Düsseldorf, ZUM 2007, 386), die eine Klage der Sing-Akademie abgewiesen hatten. Nach Ansicht des BGH habe die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht genügt. So sei durch Stellungnahmen von Musikwissenschaftlern vorgebracht worden, dass man auch davon ausgehen könnte, dass die Oper bereits 1733 erschienen ist. Das Erscheinen eines Werkes erfordert nach § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG ein Angebot bzw. Inverkehrbringen von Vervielfältigungsstücken in »genügender Zahl«. Bei »Motezuma« handle es sich um ein Auftragswerk für ein venezianisches Opernhaus. Dabei sei es damals üblich gewesen, dass ein Exemplar der Partitur beim Opernhaus hinterlegt wurde, von dem Abschriften angefertigt werden konnten. Inwieweit das auch bei der betreffenden Vivaldi-Oper der Fall gewesen ist, kann zwar nicht mehr festgestellt werden. Da jedoch von der Sing-Akademie keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Verlauf vorgetragen wurden, sei hier davon auszugehen, dass die Oper bereits 1733 erschienen sei.

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