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16.12.2011; 12:36 Uhr
BGH »Einkauf Aktuell«: Ungefragte Werbesendung der Deutschen Post AG zulässig
Kein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse

Der BGH hat gestern zugunsten der Deutschen Post AG entschieden, dass die in der Werbesendung »Einkauf Aktuell« beinhalteten redaktionellen Beiträge nicht zu einer grund- und wettbewerbsrechtlich zu beanstandenden unerlaubten Pressetätigkeit führen (Urteil vom 15. Dezember 2011, Az.: I ZR 129/10). »Die Deutsche Post AG ist nicht Adressatin des aus der Pressefreiheit abgeleiteten Gebotes der Staatsferne der Presse, weil sie vom Bund und den Ländern nicht beherrscht wird«, so die heutige Pressemitteilung. Die durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau vermittelte staatliche Beteiligung von 30,5 % reiche für eine solche Beherrschung der Deutschen Post AG nicht aus. Damit bestätigt der BGH die Entscheidung des OLG Hamburg vom 9. Juni 2010 (Az.: 5 U 259/08). Geklagt hatten der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Die Beklagte, Deutsche Post AG, verteilt wöchentlich die unadressierte Werbeschrift »Einkauf Aktuell«. Darin enthalten sind neben dem jeweils aktuellen Fernsehprogramm der kommenden Woche auch redaktionelle Inhalte mit Rubriken wie »Editorial«, »Titelstory«, »Gesundheit«, »Technik«, »Reisen« u.a. Für die Werbesendung nutzt die Post den Zustelldienst der Briefträger. Die Kläger sahen darin einen Verstoß gegen das in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte verfassungsrechtliche Gebot der Staatsferne der Presse, weil sich die Beklagte weitgehend in öffentlicher Hand befinde.

Schon das LG Hamburg verneinte die Grundrechtsbindung und damit auch die Wettbewerbswidrigkeit. Das Berufungsgericht wies die Klage ebenfalls mit der Begründung ab, dass die Beklagte »als gemischt-wirtschaftliches Unternehmen keine Grundrechtsverpflichtete ist, wenn sie - wie hier - privatwirtschaftliche Leistungen erbringt und aufgrund der Beteiligungsverhältnisse eine staatliche Einflussnahme im Unternehmen ausgeschlossen ist«. Die Auffassung der Kläger, eine Grundrechtsbindung bestehe generell, wenn die öffentliche Hand an einem Unternehmen beteiligt ist, lehnte das Berufungsgericht ab. Um feststellen zu können, ob ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen tatsächlich von hoheitlichen Interessen geleitet wird, sei die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Im Übrigen stehe dem Anspruch der Kläger entgegen, dass das Gebot der Staatsferne der Presse nicht als Marktverhaltensregeln i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG zu qualifizieren sei. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schütze das Grundrecht der Pressefreiheit und biete den Grundrechtsträgern ein subjektives Abwehrrecht gegenüber staatlicher Einflussnahme. Das Gebot der Staatsferne erschöpfe sich aber in dieser Funktion als Abwehrrecht und stelle sich daher nicht zugleich als Marktverhaltensregelung dar. 

Medienberichten zu Folge hat das LG Lüneburg kürzlich entschieden, dass die Deutsche Post AG die Werbesendung »Einkauf aktuell« nicht mehr an Empfänger verteilen darf, die dies ausdrücklich untersagt haben (Urteil des LG Lüneburg, Az.: 4 s 44 /11). In diesem Fall klagte ein Empfänger der Werbesendung auf Unterlassung der ausdrücklich gegen seinen Willen zugestellten Postwurfsendung. Nach dem LG Lüneburg stelle die ungefragte und ausdrücklich abgelehnte Werbesendung einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung sowie eine unzumutbare Belästigung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dar. Von der Deutschen Post AG werde derzeit geprüft, ob die auf Grund der grundsätzlichen Bedeutung für die Werbewirtschaft vom LG Lüneburg zugelassene Revision eingelegt wird. 

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