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05.12.2011; 14:12 Uhr
Bundestag beschließt Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes
»Löschen statt Sperren«

Am vergangenen Donnerstag verabschiedete der Bundestag die Aufhebung des Artikels 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz). Weder bei der Bekämpfung von Kriminalität noch bei Urheberrechtsverletzungen will die Regierungskoalition auf Netzsperren zurückgreifen. Nach über drei Jahren Diskussion seien sich alle Fraktionen und auch die Bundesregierung über die Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes einig, meldet »eco«. Internetsperren seien ineffektiv und technisch ohne großen Aufwand zu umgehen. Bereits jetzt würden kinderpornografische Inhalte im Internet durch das Bundeskriminalamt und durch die Beschwerdestellen erfolgreich und nachhaltig entfernt, so Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. »Im Interesse der Opfer werden die Darstellungen auch in Zukunft konsequent und schnellstmöglich an der Quelle gelöscht».

Neben der Aufhebung des Artikels 1 ZugErschwerG soll die Befugnis des Telekommunikationsanbieters zur Erhebung von Daten nach § 96 TKG als Folgeänderung aus dem TKG gestrichen werden, soweit sie sich auf das Sperren nach dem ZugErschwG bezieht. Ferner wird die Evaluierungs- und Berichterstattungspflicht nach Artikel 3 ZugErschwG aufgehoben.

Das Zugangserschwerungsgesetz ist am 23. Februar 2010 in Kraft getreten und war vorerst befristet bis Ende 2012. Faktisch wurde das Gesetz aber nie angewendet. Noch vor dem Inkrafttreten hat das Bundesinnenministerium dem Bundeskriminalamt per Erlass Anweisung gegeben, keine Sperrung von Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten vorzunehmen, sondern sich für die Löschung derartiger Seiten einzusetzen (vgl. Meldung vom 22. Februar 2010). Im Februar 2011 reichte die AK Zensur Verfassungsbeschwerde gegen das Zugangserschwerungsgesetz ein, dies vor dem Eindruck, der Nichtanwendungsbescheid des BMI könne wieder aufgehoben und die Sperrpolitik weiter verfolgt werden (vgl. Meldung vom 23. Februar 2011). Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde wegen mangelnder Begründung und des Subsidiaritätsgrundsatzes als unzulässig abgewiesen.

Zu der Überzeugung der Regierungskoalition, dass allein die Löschung illegaler Inhalte das nachhaltig wirksame Instrument auch zum Schutz der Opfer sei, habe auch die erfolgreiche Online-Petition gegen das Zugangserschwerungsgesetz (vgl. Meldung vom 22. Februar 2011) beigetragen, so Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte laut Pressemitteilung des BMJ, auch auf europäischer Ebene habe sich der deutsche Ansatz »Löschen statt Sperren« durchgesetzt (vgl. Meldung vom 16. Februar 2011). Der Rat der Europäischen Union hat im November 2011 die Richtlinie gegen Kinderpornografie verabschiedet, mit der alle Mitgliedstaaten aufgefordert sind, »alles Notwenige zu tun, dass kinderpornografische Inhalte bei ihnen entfernt werden«, meldete »Heise Online«. Netzsperren sollen aber optional möglich bleiben. In der vergangenen Woche habe der Rat der Europäischen Union eine Entschließung zum verbesserten Kinderschutz verabschiedet, wonach die Mitgliedstaaten und Drittländer verstärkt bei der Entfernung rechtswidriger Internetinhalte zusammen arbeiten sollen.

Mit der Absage an Netzsperren sei der Weg endgültig frei für eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung im Internet, meldet »eco«. Oliver Süme, »eco« Vorstand für Recht, Regulierung und Politik: »Die Internetbranche setzt sich seit Jahren erfolgreich für die fortlaufende Verbesserung der Löscherfolge ein.  (...) Inzwischen bekommen wir illegale Inhalte in wenigen Tagen aus dem Netz«. Das Aufhebungsgesetz wird nun dem Bundesrat zugeleitet, der binnen Monatsfrist Einspruch einlegen könnte. Dies wird jedoch als sehr unwahrscheinlich erachtet.

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