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19.01.2012; 17:19 Uhr
Einschätzungen zum Netzprotest gegen »SOPA« und PIPA«
Netzexperten nehmen Stellung

18 Senatoren des US-Senats stellen sich gegen den »Stop Online Piracy Act« (SOPA) und den »Protect IP Act« (PIPA), meldet »Heise Online«. Der Netzprotest gegen die geplanten US-Gesetzesvorhaben (vgl. Meldung vom 17. Januar 2012) zeige damit erste Erfolge. Unter der Rubrik »Kulturzeit« hat »3Sat« drei Netzexperten um ihre Einschätzung zum Protest gegen die US-Gesetzesentwürfe »SOPA« und PIPA« gebeten:

Aus Sicht von Pavel Richter, Vorstand von Wikimedia Deutschland e.V., gehen die in »SOPA« enthaltenen Instrumente zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet an dem Schutz von Autoren vorbei. Er sieht in dem Gesetzesvorhaben einen »Angriff auf die Entfaltungsmöglichkeit im Internet«. »SOPA« sehe u.a. vor, dass Internetprovider sämtliche Inhalte proaktiv auf mögliche Urheberrechtsverletzungen überprüfen und gegebenenfalls entfernen. Die andernfalls drohenden Geldstrafen wären für die durch Spenden finanzierte »Wikipedia« »existenzgefährdend«, so Richter. Ein Großteil der Zeit-Ressourcen der ehrenamtlichen »Wikipedia«-Mitarbeiter würde für die Kontrolle von Weblinks aufgewendet werden. Richter betont, er sehe sowohl den Bestand als auch den Betrieb des Gemeinschaftsprojekts in Gefahr. Daher protestiere »Wikipedia« auch so energisch. Mit dem »Digital Millenium Copyright Act« (DMCA) bestehe bereits eine solide und überwiegend brauchbare rechtliche Grundlage zum Schutz von Urhebern und ihren Werken. Insgesamt sei die derzeitige Legitimationskrise des Urheberrechts aber durch eine zukunftsfähige und dem digitalen Zeitalter angepasste Reform des Urheberrechts zu beheben. Er plädiert für ein Urheber- und Verbraucherrecht: »Ein Regelwerk, das den Urhebern Schutz bietet und zugleich den Nutzern zeitgemäße Möglichkeiten zur Teilhabe an der Wissensgesellschaft einräumt«. Urheberrecht und freier Zugang zu Informationen sei kein Widerspruch, sondern würden sich im Idealfall ergänzen und bestärken.

Markus Beckedahl, Vorsitzender der Digitalen Gesellschaft e.V., als Sachverständiger Mitglied der »Internet-Enquête Kommission« des Deutschen Bundestages und Gründer des Blogs »netzpolitik« betrachtet die Protestaktionen gegen die aus seiner Sicht »hochgefährlichen« US-Gesetzespläne als »leider notwendig«. Durch die geplanten Maßnahmen, »werden Privatunternehmen plötzlich in eine Richterrolle gebracht«, so Beckedahl. Nach seiner Einschätzung wären »mehr Überwachung, weniger Verlinkung, weniger Inhalte und weniger Meinungsfreiheit« die konsequenten Folgen von »SOPA« und »PIPA«. Auch Beckedahl betont, »das althergebrachte Urheberrecht funktioniert so nicht mehr«. Das Urheberrecht müsse unter den gegebenen Voraussetzungen der Digitalisierung von einigen alten Dogmen Abschied nehmen und auf ein sinnvolles Maß zurechtgestutzt werden. Die Politik der Überwachung, Kontrolle und Nutzerfeindlichkeit der letzten Jahrzehnte haben laut Beckedahl »nichts als Ärger für alle« gebracht.

Für Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, zeigen die Protestaktionen einmal mehr, wie wichtig es sei, den Wert der Kreativität hervorzuheben. Auch er hält die US-Gesetzespläne für »überzogen«. Der Gesellschaft müsse deutlicher gemacht werden, dass das Urheberrecht kein Recht gegen den Nutzer, sondern ein Recht für die Urheber sei. Ein »freies und offenes Internet«, wie »Wikipedia«-Mitbegründer Jimmy Wales es im Rahmen des Protests ausgerufen hat, sei hingegen ein Mythos, da das Internet längst der Realwirtschaft angehöre. Aus seiner Sicht bestehe die Zukunftsaufgabe darin, dass der Zugang zum Internet zu gewährleisten ist und dass Angebote, die nicht privatwirtschaftlich sind, weiterhin ihren Platz haben. Auch Zimmermann ist der Meinung, dass freier Zugang zu Informationen und Urheberrecht nicht im Widerspruch zueinander stehen. In diesem Zusammenhang müsse deutlich hervorgehoben werden, dass freier Zugang etwas anderes sei als kostenloser Zugang.

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