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17.04.2003; 18:04 Uhr
Bundesregierung will WHO-Tabakrahmenkonvention nun doch unterzeichnen
Allerdings verfassungsrechtlicher Vorbehalt gegen totale Werbeverbote

Die Bundesregierung will die umstrittene Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nun doch unterzeichnen. Das teilte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk (SPD), am 17.4.2003 am Rande einer Veranstaltung in Wien mit. Die Staatssekretärin kündigte allerdings an, dass die Bundesregierung in einer Protokollerklärung zu der Konvention aus verfassungsrechtlichen Gründen einen Vorbehalt gegen völlige Tabakwerbeverbote geltend machen werde. Deutschland unterstütze zwar vorbehaltlos das Ziel der WHO, den Tabakkonsum und seine gesundheitsschädlichen Folgen weltweit zu reduzieren. Neben internationalen Tabakkontrollprogrammen sei es aber nach wie vor unverzichtbar, dass die Staaten im nationalen Rahmen gegen den Tabakkonsum vorgingen. Völlige Tabakwerbeverbote in internationalen Übereinkommen lehne die Bundesregierung deshalb ab. Sie griffen "in unzulässiger Weise" in die nationale Gesetzgebung ein. Merk wies darauf hin, dass die Bundesregierung in vielfältiger Weise gegen den Tabakkonsum vorgehe. Im April sei das neue Bundesjugendschutzgesetz (BJSchG) in Kraft getreten, das den Verkauf von Tabakwaren an Jugendliche unter 16 Jahren und Kinowerbung für Tabakwerbung vor 18 Uhr untersage. Gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des BJSchG habe eine neue Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) begonnen, die Jugendlichen Lust aufs Nichtrauchen machen wolle. Außerdem werde die Koalition im Sommer 2003 ein "Anti-Tabakprogramm" vorlegen, das "ein Bündel von gesetzlichen, strukturellen und präventiven Maßnahmen" enthalten werde.

Deutschland hat sich in der Vergangenheit mehrfach gegen ein völliges Tabakwerbeverbot ausgesprochen. Die Bundesrepublik gerät bei diesem Thema in der Europäischen Union (EU) allerdings zunehmend unter Druck. Das Europäische Parlament (Parlament) hat erst im November 2002 mit deutlicher Mehrheit einen Entwurf der Europäischen Kommission (Kommission) für eine neue Tabakwerberichtlinie verabschiedet. Nach dem Entwurf soll Tabakwerbung künftig in Druckerzeugnissen, Rundfunk und Internet so gut wie völlig verboten sein. Die Richtlinie untersagt den Tabakherstellern auch das Sponsoring von länderübergreifenden Veranstaltungen. Um eine Umgehung der Verbote zu verhindern, soll auch die Gratisverteilung von Tabakerzeugnissen im Zusammenhang mit Veranstaltungen in bestimmten Fällen verboten sein. Vom Werbeverbot ausgenommen sein sollen nur Werbung im Kino, auf Plakaten und indirekte Werbung. Eine Reihe von Änderungsvorschlägen des Rechtsausschusses des Parlaments, dass die Werbeverbote stärker auf Fälle grenzüberschreitender Werbung beschränken wollte, lehnten die Abgeordneten fast vollständig ab. Im Gegenteil gelang es der Grünen-Fraktion sogar noch, einen Antrag durchzusetzen, nach dem den Mitgliedsstaaten Werbebeschränkungen unbenommen bleiben sollen, die über die Vorgaben der Tabakwerberichtlinie hinausgehen. Die Kommission äußerte nach dem Beschluss die Erwartung, dass die Richtlinie bald vom Europäischen Rat (Rat) verabschiedet werden würde. Gegen den Kommissionsvorschlag wird im Rat aller Voraussicht nach nur Deutschland stimmen. Die deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverleger haben bereits angekündigt, bei einer Verabschiedung der Richtlinie im Rat Klage zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu erheben. Das Gericht hatte im Oktober 2000 die erste Tabakwerberichtlinie der EU für unwirksam erklärt.

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