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02.05.2001; 21:06 Uhr
USA: Rechtsstreit über DeCSS-Verbreitung geht in zweite Runde
Grundsatzentscheidung über Haftung für Verweise und Rechtmäßigkeit des DMCA erwartet

Der Rechtsstreit über die Verbreitung des Entschlüsselungsprogramms DeCSS geht in eine neue Runde. Am 1.5.2001 fand in New York vor dem US-Berufungsgericht für den 2. Bezirk die erste mündliche Verhandlung im Rechtsmittelverfahren statt. Die klagende US-amerikanische Filmindustrie blieb bei ihrer Forderung, die Verbreitung von DeCSS im Internet müsse genauso gerichtlich unterbunden werden wie der Verweis auf andere Anbieter des Entschlüsselungsprogramms. DeCSS umgeht den Kopierschutz von DVDs und erlaubt deren Abspeichern z. B. auf Festplatte oder CD-ROM. Erwartet wird in dem Verfahren eine Grundsatzentscheidung nicht nur zur Haftung für Verweise, sondern auch zur Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften eines US-amerikanischen Gesetzes, dass die Verbreitung von Mitteln zur Umgehung von Kopierschutzmechanismen untersagt.

Im Fall hatte die Motion Picture Association of America (MPAA), der bedeutendste Berufsverband der US-amerikanischen Filmwirtschaft, bereits im Januar 2000 den Betreiber des Internet-Angebot 2600.com verklagt, der auf seinen Seiten das Programm DeCSS zum Herunterladen angeboten hatte. Außerdem verwies das Internet-Angebot auf die Seiten anderer Anbieter mit weiterführenden Angaben zu dem Entschlüsselungsprogramm. DeCSS ermöglicht eine Umgehung des Content Scrambling Systems (CSS), eines Kopierschutzes, mit dem die Musikindustrie die unberechtigte Vervielfältigung von Digital Versatile Discs (DVDs) verhindern will. Die MPAA sah in der Verbreitung des Programms einen Verstoß gegen den Digital Millenium Copyright Act (DMCA) von 1998, der zur Verhinderung von Raubkopien die Verbreitung von Mitteln zur Umgehung von Kopierschutzmechanismen grundsätzlich untersagt. In erster Instanz hatte die MPAA im August 2000 vor einem US-Bezirksgericht in New York Recht bekommen.

Die Filmindustrie berief sich auch in der Berufungsverhandlung darauf, das Programm DeCSS sei ausschließlich zu rechtswidrigen Zwecken entwickelt worden. Ziel bei der Entwicklung des Programms sei von Anfang an die rechtswidrige Umgehung des Kopierschutzes urheberrechtlich geschützter Werke gewesen. Die MPAA verwies nochmals darauf, DeCSS verwende zur Decodierung von CSS gestohlene Schlüssel ("player keys"), Einzelheiten des Verschlüsselungsverfahrens seien von den Programmieren außerdem durch Rückberechnung ("reverse engineering") ermittelt worden. Auf die Vorschriften des DMCA, die Veröffentlichung zu wissenschaftlichen Zwecken unter bestimmten Voraussetzungen zulassen, könnten sich die Betreiber von 2600.com deshalb bereits nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nicht berufen. Die Filmindustrie verwahrte sich außerdem gegen den Vorwurf, der DMCA sei wegen Verstoßes gegen die Meinungsfreiheit ("first amendment") verfassungswidrig. Das Gesetz sei Antwort auf die besondere Bedrohung der Urheberrechte durch das digitale Zeitalter, in dem rechtswidrige Vervielfältigungen ohne Qualitätsverlust möglich seien und Werke gestohlen werden könnten, ohne Spuren zu hinterlassen. Die MPAA warnte, ohne den Schutz durch die Gerichte drohen der Filmindustrie Urheberrechtsverletzungen im großen Stil und schließlich eine "Napsterisierung" ("Napsterisation") der gesamten Branche.

Die Vertreterin von 2600.com, die Dekanin der Stanford Law School, Kathleen Sullivan, vertrat dagegen die Auffassung, DeCSS sei keineswegs nur zu rechtswidrigen Zwecken einsetzbar. Das Entschlüsselungsprogramm könne auch genutzt werden, um auch nach dem US-amerikanischen Urheberrecht als angemessene Nutzung ("fair use") zulässige Vervielfältigungen herzustellen. Als Beispiele nannte Sullivan das Anfertigung einer begrenzten Zahl von Vervielfältigungen zu privaten Zwecken oder das zitatartige Verwenden von Ausschnitten in eigenen Filmen. DeCSS sei soweit vergleichbar mit einem Fotokopierer, der für rechtmäßige Zwecke wie für rechtswidrige Zwecke genutzt werden könne, meinte die Juristin. Die Filmindustrie müsse sich in dem Zusammenhang den Vorwurf gefallen lassen, durch Kopierschutzmechanismen zunehmend die Rechte der Verbraucher auf angemessene Nutzung ("fair use") zu vereiteln.

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